In der Wissensökonomie von heute brauchen wir alle Generationen, sagt Annice Joseph, Global Lead for Cross-Generational Intelligence bei SAP. Um das Verhalten der unterschiedlichen Generationen am Arbeitsplatz ranken sich zahlreiche Mythen. Im Intervew spricht Annice Joseph vom SAP Global Diversity and Inclusion Office über die Fakten.
Worin besteht Ihre Aufgabe?
Wir möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, wie einzigartig es ist, dass bei SAP fünf Generationen unter einem Dach zusammenarbeiten. Und wir wollen bei SAP eine Arbeitsumgebung gestalten, in der sich jeder Einzelne zugehörig und respektiert fühlt. Als ich vor zwei Jahren hier anfing, habe ich erst einmal die Generationen definiert, um die Mitarbeiter für die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten zwischen den Altersgruppen zu sensibilisieren und um weiterhin sicherzustellen, dass es bei SAP Chancen für alle gibt.
Warum ist das für SAP ein Schwerpunktthema?
Weil die Zusammenarbeit verschiedener Generationen positive Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg hat. Um ein Beispiel zu nennen: Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie erreichen altersgemischte Teams bei Entscheidungsprozessen deutlich bessere Ergebnisse als Teams, die sich nur aus jüngeren oder nur aus älteren Mitarbeitern zusammensetzen.
Diversity zahlt sich aus: Generationsübergreifende Teams erzielen bessere Resultate
Die Untersuchung zeigt, dass generationsübergreifende Teams mehr als doppelt so viele positive Ergebnisse erzielten wie homogenere Teams. Gemäß der Studie konnten „Entscheidungsteams mit einem breiten Altersspektrum – 25 Jahre oder mehr – die Erwartungen in 73 Prozent der Fälle erfüllen oder übertreffen, wogegen dies Teams mit einem geringen Altersspektrum von weniger als 10 Jahren nur in 35 Prozent der Fälle gelang.“
Auch bei SAP gibt es sehr ermutigende Beispiele dafür, dass ein guter Altersmix im Team einen lebendigen Wissens- und Gedankenaustausch bewirkt und letztlich bessere Ergebnisse ermöglicht.
Ist denn die Zusammenarbeit zwischen den Generationen nicht etwas ganz Normales? Warum müssen wir uns überhaupt darüber unterhalten?
Weil die Welt sich verändert. In der Vergangenheit gab es meist einen direkten Zusammenhang zwischen Alter und Erfahrung einer Person und ihrer Stellung und Seniorität im Unternehmen. Es galt als selbstverständlich, dass die Jüngeren an die Älteren berichten und dass Führung im Wesentlichen „Anweisung und Kontrolle“ bedeutete. Das hat sich verändert: Heute stehen Wissen und Kompetenz nicht unbedingt direkt in Relation zu den Jahren an Erfahrung. Jeder Einzelne bringt einen Mehrwert.
Hinzu kommt, dass der Mensch der Gegenwart bei seiner Arbeit immer weniger auf körperliche Kraft und Ausdauer angewiesen ist. Ein immer größerer Teil unserer Arbeit fordert unser implizites Wissen, unsere Erfahrungen, unsere Fähigkeit andere zu verstehen, zu führen, zusammenzuarbeiten und kreativ zu sein – all diese Qualitäten setzen nicht unbedingt physische Stärke voraus. Aus diesem Grunde brauchen wir vielfältige Talente und Menschen aus allen Generationen, die am Arbeitsplatz gut zusammenarbeiten.
Warum sollte das schwierig sein?
Das kann ich nur mit einer Gegenfrage beantworten. Mal abgesehen von Kollegen und Familienmitgliedern, wie viele Freunde aus anderen Generationen haben Sie? Nach meiner Erfahrung sagen weniger als 2 Prozent der Befragten, dass sie Freunde aus fünf Generationen haben, und weniger als 10 Prozent haben Freunde aus vier Generationen.
Im Privatleben ist das kein Problem, aber am Arbeitsplatz spielt es eine Rolle. Bei SAP arbeiten wir Tag für Tag mit Kollegen, Kunden und Partnern aus durchschnittlich vier Generationen zusammen. Wenn wir ein Unternehmen gestalten wollen, das weltweit für Innovation und Inklusion steht, dann müssen wir mit jedem Menschen effektiv zusammenarbeiten, mit dem wir in Kontakt kommen. Die Stärken und Bedürfnisse der unterschiedlichen Generationen zu verstehen, wird dann zu einer Schlüsselkompetenz.
Was könnte daran hindern, effektiv zusammenzuarbeiten?
Manchmal stehen uns unsere Überzeugungen, unsere Erziehung oder unsere allgemeine Einstellung zum Alter im Weg. Manche Vorurteile und Klischees in Bezug auf das Alter erzeugen in uns einen Missklang, der dazu führt, dass wir anderen Personen gegenüber skeptisch sind. In unseren Workshops habe ich Mitarbeiter sagen hören, „Ich finde fast gar keinen Zugang zum inneren Kreis, ich habe den Eindruck, dass ich kaum in das Team integriert werde, weil ich aus einer anderen Altersgruppe bin.“
Egal, ob es junge Talente sind, die das Gefühl haben, dass sie nicht ernst genommen werden, oder ob es ältere Kollegen sind, die das Gefühl haben, sie gehörten nicht dazu – es gibt diese Wahrnehmung am Arbeitsplatz – und nicht nur bei SAP.
Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Stereotype zu überwinden?
Wir fördern Initiativen wie Cross-Generational Mentoring, die dazu beitragen, negative Vorurteile abzubauen. Zudem bieten wir Weiterbildungen an, die den Teilnehmern helfen sollen, künftig besser mit Menschen aller Altersgruppen zusammenzuarbeiten.
Mentoring und Weiterbildungen für mehr Vielfalt
Das ist übrigens nicht nur ein SAP-internes Thema. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir auf Kunden zugehen und den Markt ansprechen. Eines meiner Ziele ist es, gemeinsam mit dem SAP Marketing daran zu arbeiten, dass die Bilder, die wir in den Medien verwenden, und die Gesichter, die SAP repräsentieren, verschiedene Generationen widerspiegeln.
Was würden Sie empfehlen, um die Zusammenarbeit zwischen den Generationen weiter zu verbessern?
Nun, wir sprechen oft über Unterschiede. Aber es ist wichtig, zu erkennen, dass wir viel mehr Gemeinsamkeiten haben, als wir glauben. Wir haben herausgefunden, dass in einer Gruppe von 60 Menschen, die drei Generationen von SAP-Mitarbeitern umfasst, die meisten das Gleiche wollen – Relevanz, finanzielle Stabilität sowie Flexibilität –, aber je nach Lebensphase aus unterschiedlichen Beweggründen.
Ich möchte die Menschen ermutigen, auf der Grundlage ihrer Gemeinsamkeiten stärker als Team zusammenzuwachsen. Wer neugierig auf andere ist, hat bessere Gespräche und bessere Beziehungen mit Menschen aus anderen Generationen – ganz gleich, ob am Arbeitsplatz oder anderswo.