Das Münchner Start-up-Unternehmen 4tiitoo schafft mithilfe von Eye-Tracking-Technologie und künstlicher Intelligenz (KI) eine intelligente Logistikkette, in welcher Softwarelösungen berührungslos bedient werden können.
Kurz vor 6 Uhr morgens im Warenlager eines Supermarkts: Ein Lastwagen dockt rückwärts an der Laderampe an. Der Lagerarbeiter lässt die Heckklappe auf die Rampe herunter und beginnt mit der Entladung der Paletten. Es folgen Abläufe und Rituale, die so alt sind wie der Handel selbst. Die Waren werden gezählt und kontrolliert. Die Frachtbriefe werden geprüft und unterzeichnet. Die Waren werden etikettiert, gestapelt und gelagert. Transaktionsdaten werden erfasst.
Doch ob im alten Ägypten im Jahr 4000 v. Chr. auf Papyrus geschrieben wurde oder ein Lagerarbeiter im Jahr 2019 n.Chr. Daten in ein ERP-System eingibt – es braucht dafür immer zwei Hände. Das soll sich nun ändern.
Berührungslose Steuerung durch Sprache und Gesten
Weltweit erledigen immer mehr Lagerarbeiter diese Aufgaben, buchstäblich ohne einen Finger zu rühren. Mit Eye-Tracking- und Blicksteuerungstechnologien lassen sich Daten eingeben, Checklisten bearbeiten, Dokumente unterzeichnen und andere Routineaufgaben im Lager ausführen, ohne dabei die Hände zu benutzen.
4tiitoo gehört zu den führenden Anbietern dieser bahnbrechenden Technologie. Denn das System kann das durch Kombination von Eye-Tracking und künstlicher Intelligenz sämtliche Schritte in der Logistikkette steuern. Über die Plattform NUIA (Natural User Interaction to all Applications) von 4tiitoo lassen sich Aufgaben berührungslos nur durch Sprach- und Gestensteuerung ausführen. Stephan Odörfer, Mitbegründer und CTO von 4tiitoo, vergleicht die Software mit „Mäusen, denen man Steroide verabreicht hat“.
Die Kanzlerin bestaunt das Co-Innovationsprojekt auf der Hannover Messe: SAP-Anwendungen lassen sich via Blicksteuerung bedienen – mittels künstlicher Intelligenz werden Augenbewegungen in Programmbefehle übersetzt.
Vorteile der Blicksteuerung für Logistikprozesse
Die Blicksteuerung bringt enorme Vorteile für moderne Logistikketten mit sich. Ein typischer Anwender im Büro oder in der Werkshalle führt täglich zwischen 3.000 und 8.000 Mausklicks durch. Dabei legt er mit seiner Maus im Tagesverlauf eine Wegstrecke von mehreren Kilometern zurück. Mithilfe von Augenbewegungen können Benutzer nahtlos und schnell zwischen verschiedenen Fenstern, Registerkarten und Eingabefeldern einer Logistikanwendung wechseln und so 15 bis 60 Minuten Arbeitszeit pro Tag sparen.
Unternehmen können die Technologie an jedem beliebigen Punkt ihrer globalen Logistikkette einsetzen. Denn: Die Schnittstellen sind nicht von einem bestimmten Softwaresystem abhängig. Dies ist insbesondere für Fertigungsunternehmen attraktiv, die ihre Systeme digitalisieren und sich mit zukunftsweisenden Technologien einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen möchten.
- Mehr Effizienz am Fließband: Fließbandarbeiter bauen heute nicht mehr nur Autos, Rasenmäher und Stereoanlagen zusammen, sondern erzeugen auch Daten – und dies in großen Mengen. Diese Daten müssen eingegeben werden. In herkömmlichen Umgebungen, in denen die Dateneingabe per Tastatur und Maus erfolgt, geht viel Zeit durch den permanenten Wechsel zwischen Fließband und ERP-Terminal verloren. Durch den Einsatz von Blicksteuerung für die Erfassung wichtiger Daten haben Mitarbeiter ihre Hände für die nötigen Montageschritte frei.
- Mehr Produktivität im Büro: Eine Arbeitsumgebung, die Tastatur und Maus überflüssig macht, verändert auch die traditionellen Abläufe im Büro. Bereits heute lässt sich mithilfe von NUIA die Mausnutzung in SAP- oder CAD-Anwendungen deutlich verringern. Dadurch steigt die Produktivität der Mitarbeiter um 4 bis 12%. Mit intelligenten Brillen, die Daten über 5G-Netze austauschen, werden Mitarbeiter schon bald nicht mehr an ihren Schreibtisch, ihren Monitor, ihre Tastatur und ihre Maus gebunden sein. Einfache Augenbewegungen können die Vielzahl der Systeme steuern, die sie bei ihrer täglichen Arbeit benötigen.
Digitale Logistik mit KI
Für digitale Logistiksysteme bietet die Blicksteuerung ein enormes Potenzial. Die Plattform von 4tiitoo lässt sich mit nahezu jeder klassischen ERP-Lösung nutzen. Bislang wurden in Bestands-, Lager- und Einkaufsprozessen Daten weitestgehend manuell eingegeben. Indem beispielsweise Funktionen für die Dateneingabe ohne Tastatur und Maus Systeme in der Fertigungsstraße ergänzen, können Unternehmen das Benutzererlebnis wesentlich verbessern.
Eva Zauke, Vice President of Digital Supply Chain und Leiterin des Programms SAP Startup Accelerator for Digital Supply Chain bei SAP, erläutert: „Für die Blicksteuerungstechnologie von 4tiitoo müssen nur sehr wenige Daten ausgetauscht werden, weshalb sie sich schnell und einfach in die SAP-Landschaft integrieren lässt.“
Für Odörfer ist die Ablösung der Maus durch die Blicksteuerung Teil einer überzeugenden Vision für die Logistikkette der Zukunft. „Es ist wichtig, dass Mausklicks überflüssig werden. Ziel ist es, Abläufe so zu automatisieren, dass eine nahtlose, intelligente Logistikkette die Intention des Benutzers versteht. Unsere blickbasierte NUIA Intention Prediction Technology ist ein erster Schritt auf diesem Weg.“
4tiitoo ist Mitglied des Programms SAP Startup Accelerator for Digital Supply Chain.