Während der Heimatmarkt Österreich als Erster auf die S/4HANA Cloud umstellt, profitiert der große Bruder Deutschland von den österreichischen Erfahrungen und zieht die Realisierungsphase vor. Der CFO bei Rohrer in Deutschland spricht nicht vom Kauf eines Produktes, sondern von einem gemeinsamen Projekt mit SAP.
„Wir werden zum ersten April 2020 auf die SAP S/4HANA Cloud migrieren und wollten eigentlich Ende September in die Realisierungsphase gehen“, erklärt Erdal Karaca, „diesen Termin ziehen wir nun vor. Wir starten am ersten Juli.“ Karaca ist kaufmännischer Leiter des Standortes Deutschland innerhalb der Rohrer Group. Diese engagiert sich in insgesamt 14 Ländern, der Hauptsitz liegt im steirischen Niklasdorf. Dort ist vor wenigen Tagen der Startschuss zum System-Wechsel gefallen.
Karaca saß von Anfang an mit im Boot. Dass sich die expandierende Gruppe IT-seitig neu aufstellen musste, wurde seit Jahren immer wieder diskutiert, sagt der CFO. Im Herbst 2018 traf Firmengründer Johann Rohrer dann die Entscheidung für SAP S/4HANA Cloud. Läuft alles nach Plan, wird alle drei Monate ein weiterer Länderstandort folgen.
Deutschland profitiert von den Lernerfahrungen der Österreicher, das Vorziehen der Realisierungsphase ist dafür ein Zeichen. Franz Wohlscheiber, Head of IT, sagt: „Die Cloud ist eben kein fertiges Produkt“ – ein Satz, den Karaca sofort unterschreibt. Konkret: wer sich für die Cloud entscheidet, verändert Organisationsstrukturen und fasst Prozesse an. Und nicht nur Prozesse, sondern ganze Prozessketten, schließlich ist der enge Datenaustausch mit Kunden und Partnern das wesentliche Ziel der Migration.
Anbieter und Anwender arbeiten Hand in Hand
Deutschland ist Rohrers größte Division und steuert 110 Millionen zum Jahresgesamtumsatz von rund 350 Millionen Euro bei. „Wir sind hier sehr dezentral aufgestellt“, sagt Karaca. Das heißt für ihn: jeder der 17 Standorte, jeder Betriebsleiter muss überzeugt werden. Vorab hat der Geschäftsführer seine Leute bereits informiert, ihm ist es wichtig, mit jedem persönlich zu sprechen. Noch vor dem ersten Juli wird er alle zu einem Kick-Off-Meeting an den Tisch holen.
Seine ersten Erfahrungen zeigen, dass die Betriebsleiter einen gewissen Optimismus mitbringen. Den verbreitet auch Karaca selbst. Naiv ist der diplomierte Kaufmann aber nicht: Dass „die Lernkurve von on premise zur Cloud unterschätzt“ wurde, wie Österreichs Projektleiter Michael Friess sagt, weiß Karaca. Ebenso ist ihm bewusst, dass die Umstellung von den bisher stark customizierten Prozessen auf standardisierte Abläufe einen langen Atem braucht. „Wir sind aber bei Rohrer aufgeschlossen gegenüber Neuem“, hält er diesen Herausforderungen entgegen. Das sei nicht nur eine Charakterfrage der einzelnen Mitarbeiter, sondern habe auch mit einer Führung zu tun, die auf ein Miteinander setzt.
Als Miteinander betrachtet Karaca das gesamte Migrationsprojekt. Noch ist der Kreis der SAP-S/4HANA-Anwender klein. Einzelne technische Hürden machen sich auch bei Rohrer bemerkbar. So konnte die erste Rechnung vom Vorsystem erst nach Wochen automatisiert über die Schnittstelle im SAP erstellt und gebucht werden. „SAP braucht willige Kunden“, schmunzelt der Kaufmännische Leiter. Anbieter und Anwender arbeiten gemeinsam an der Lösung und entwickeln sie weiter. „Das ist nicht der Kauf eines Produktes, sondern ein gemeinsames Projekt mit SAP“, schließt Karaca.
Stichwort Entwicklung: Die Entwickler-Plattform in der SAP-Cloud ist für Karaca „ein besonderes Gimmick“. Hier könnten sich Developer austoben, lobt er. „Nicht ausgeschlossen, dass daraus das eine oder andere weitere Standardprodukt resultiert“, überlegt der Deutschland-Chef. Um gleich anzufügen: „Das müsste sich dann natürlich auch in der Preisgestaltung niederschlagen – da bricht der Kaufmann in mir durch!“
Das Kernteam wird interdisziplinär besetzt sein
Lernerfahrungen zu nutzen, heißt auch, Bewährtes zu übernehmen. Das bezieht sich in diesem Fall auf die Zusammensetzung des Kernteams. Wie in Österreich wird das deutsche Team interdisziplinär gehalten sein, also neben Geschäftsleitung und IT auch Fachbereichsleiter enthalten. Etwa fünf bis sechs Leute, schätzt Karaca, werde die Truppe umfassen. Wer genau das sein wird, bespricht er mit dem externen Partner S&T, einem zertifizierten SAP-Goldpartner, der das Roll-Out Projekt unterstützt.
Von Vorteil ist für Karaca, dass die Standorte Österreich und Deutschland trotz des Größenunterschiedes vergleichbar sind. Der Markt Rumänien zum Beispiel stellt sich mit seinen länderspezifischen Herausforderungen schon anders dar. So war eigentlich geplant, dass Rumänien gemeinsam mit dem Stammsitz Österreich als Vorreiter agiert und zu Anfang April mit der Cloud live geht. Das musste verschoben werden. Manche länderspezifischen Punkte kann man eben nicht beeinflussen, weiß Karaca. Aber mit der Offenheit, die die Rohrer-Group kennzeichnet, wird das zu lösen sein.