Den Konsumenten über alle Verkaufskanäle hinweg bestmöglich zu betreuen, reicht nicht mehr. Verkäufer müssen zu ihren Zusagen stehen – sonst ist der Kunde weg. Das SAP-Forum für den Handel zeigte Beispiele für ein modernes Experience Management (XM).
Nur acht Prozent zufriedene Kunden weltweit – diese Zahl müsste jedem Vorstandschef den Schlaf rauben. Umso mehr, als dass die CEOs dieser Welt davon ausgegangen waren, dass 80 (!) Prozent ihrer Klientel zufriedene Kunden seien.
Eine großangelegte Studie der Bain Company habe diese Diskrepanz zu Tage gefördert, berichtete Wolfgang Sölch von Qualtrics. Zusammen mit seinem Kollegen Markus Werdenich stellte er den Besuchern des 8. SAP-Forum für den Handel in Frankfurt (siehe Kasten) die Experience-Management-Plattform des neuen SAP-Unternehmens vor.
Schlechte Customer Experience, enttäuschtes Vertrauen
Vor dem Hintergrund der Bain-Studie seien Kundenreaktionen – und hier vor allem negatives Feedback – heute mit die wertvollste Ressource für Handelsunternehmen, sagte Werdenich. So sei ein hoher Produktpreis oft weniger problematisch für die „Customer Experience“ als enttäuschtes Vertrauen.
Eva Maria-Lemke, Moderatorin der Veranstaltung, berichtete von einer speziellen Kundenerfahrung, als sie eine Ware im Internet bestellt hatte und diese dann im Laden vor Ort abholen wollte („click and collect“). Der Artikel war nicht vorhanden, sondern musste erst aus einer anderen Filiale herbeigeschafft werden. Wartezeit: über 40 Minuten.
Werdenich nahm dieses Beispiel auf und zeigte in einer kurzen Präsentation, wie Qualtrics das Einkaufserlebnis aus Sicht des Konsumenten in einer kurzen Online-Befragung bewerten lässt und die Resultate anschließend in sein System zurückspielt. Richtig aufbereitet, verdichtet und mit historischen sowie operativen Daten kombiniert, könnten solcherart aggregierte Informationen Aufschluss über fehlerhafte Prozesse oder ein mangelhaftes Sortiment geben – und ebenfalls darüber, wo man strategisch ansetzen könne, um den Geschäftserfolg zu verbessern.
Eine Todsünde wäre es, das Feedback nur zu sammeln und dem Verbraucher nicht zu antworten. „Dann lassen Sie es lieber ganz“, riet Wolfgang den Teilnehmern. Im Fall von Frau Lemke gestand Markus der Konsumentin einen – fiktiven – Gutschein über 50 Euro als kleine Wiedergutmachung für die lange Wartezeit zu. Damit war Frau Lemke einverstanden und kann sich vorstellen, dem Anbieter zukünftig noch eine Chance zu geben.
Apropos Click and Collect; mit diesem Verfahren beschäftigen sich aktuell viele Einzelhändler. Aus verständlichen Gründen: Wenn auf der „letzten Meile“ etwas schief läuft, sind die vorigen Etappen auf der Kundenreise – auch wenn sie noch so überzeugend bewältigt wurden – nichts mehr wert und das vielbeschworene Kundenerlebnis im Eimer, siehe oben.
Sowohl die Baumarktkette toom als auch das Münchener Fitnessunternehmen Sportscheck berichteten von Einzelfällen, in denen eine im Netz bestellte Ware zum zugesagten Termin nicht abholbereit war. Beide Firmen führen das SAP Customer Activity Repository (SAP CAR) als zentralen Datenumschlagplatz ihrer Omnichannel-Strategie ein, um sämtliche Kundenaktivitäten, ob im Online-Shop oder im Ladengeschäft, zusammenzuführen.
Sportscheck hat gerade damit begonnen, die SAP-CAR-Komponente Omnichannel Article Availability (OAA) zur exakten Verfügbarkeitsprüfung von Beständen zu implementieren – um eben Frustrationen auf Kundenseite zu vermeiden. Die Präsentation war einer der Vorträge mit dem größten Zuschauerzuspruch.
Mit einer durchgängigen Kundenerfahrung begeistern
Versprechen halten – das sei wichtiger als eine „fancy website“, bestätigte SAP-Manager Moritz Zimmermann, seines Zeichens Chief Technology Officer bei SAP Customer Experience. Er plädierte für eine durchgängige Customer Experience, ausgelöst durch wenige Fingerbewegungen („tap, tap, buy“) auf dem Handy. Gefragt seien direkte, auf die wichtigsten Funktionen reduzierte Anwendungen mit herausragenden visuellen Elementen und kein überfrachtetes Design, das einst für einen 24-Zoll-Bildschirm entworfen wurde.
„Überall ist Commerce“, beschrieb Zimmermann den Zustand unserer Industriegesellschaft. Unternehmen würden immer mehr Daten über uns sammeln – was ihnen gestatten würde, immer mehr maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten. Wenn das im Sinne des Kunde geschehe, sei das in Ordnung. Aber, so Zimmermann: Der Kunde müsse dabei immer das Gefühl haben, die Kontrolle über die Verwendung seiner Daten behalten. Nur dann könne sich eine vertrauensvolle Beziehung zum Lieferant entwickeln.
Kunden werden digital
Sei es die evolutionäre Weiterentwicklung des Web-Shops oder eine grundlegende Erneuerung aller Retail-Prozesse im Backend, oder beides: Der diesjährige SAP-Handelskongress hat wieder einmal gezeigt, dass Retail-Unternehmen den Einsatz modernster Technologie keinesfalls scheuen.
So konnte Douglas (#ForwardBeauty) seine technischen Unzulänglichkeiten im Online-Geschäft – die beispielsweise zu Ausfällen am umsatzstarken Black Friday führten – mittlerweile beseitigen. Vanessa Stützle (EVP Digital Business & Omnichannel) berichtete von mehr Nettoumsatz in diesem Segment. Im September dieses Jahres will Douglas mit der Commerce Cloud (SAP C/4HANA) live gehen.
Andere Branchengrößen – in Frankfurt traten etwa DocMorris (Apothekenkette), Henry Schein Europe (Gesundheitswesen) und MediamarktSaturn (Unterhaltungselektronik) auf – haben Transformationsprojekte, unter anderem mit SAP S/4HANA, begonnen. MediamarktSaturn ist dabei den Weg einer Neuimplementierung („Greenfield“) für sein Logistiksystem gegangen, weil man nicht die Fehler aus früheren Projekten – zu lange Laufzeiten, permanente Anpassungen, ausufernde Kosten – wiederholen wollte.
Trends wie Mobilität, Individualisierung oder Digitalisierung verlangen manchmal eben neue Ansätze und radikale Verfahren – Hauptsache, es passt für den Kunden.
So sagte Achim Schneider (Gobal Head of Retail Industry Business Unit bei SAP) in seinem Vortrag und in Anlehnung an Charles Darwin sinngemäß: Künftig werden weder die stärksten noch die intelligentesten Handelsunternehmen am erfolgreichsten sein, sondern diejenigen, die sich an den gesellschaftlichen und technischen Wandel am besten anpassen können.
Klassentreffen der Handelselite
Weit über 200 Kundenvertreter trafen sich mit 160 Partnern und zahlreichen SAP-Experten im Forum der Messe Frankfurt zum 8. SAP-Forum für den Handel. Damit war das „Klassentreffen der Handels-Community“ – wie Kai-Harald Solmitz (Leiter Geschäftsbereich Handel und Konsumgüter in der SAP Deutschland) die Veranstaltung gerne nennt – ausverkauft. Von den vielen interessanten SAP-Produktpräsentationen seien an dieser Stelle zwei exemplarisch erwähnt:
Die kürzlich auf der Kundenmesse SAPPHIRE NOW angekündigte SAP Data Warehouse Cloud soll das intelligente Datenmanagement ermöglichen. Demnach lassen sich über das Prinzip der „Datentöpfe“ SAP- und Nicht-SAP-Quellen verknüpfen und in der Cloud auswerten. Die allgemeine Verfügbarkeit ist für das vierte Quartal geplant, dann auch mit einer Retail-Variante inklusive branchenspezifischer Inhalte sowie einer transparenten, nutzungsabhängigen Preisstruktur.
Das Adoption Starter Engagement macht interessierte Unternehmen in virtuellen Sitzungen mit den Anforderungen und Voraussetzungen für einen Umstieg auf SAP S/4HANA vertraut. Es ist Teil des Move-Programms und kostenlos für alle Kunden mit einem bestehende SAP-Wartungsvertrag.