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Die Wissenschaft ist gefordert, Antworten zu finden. Wir müssen unseren CO2-Ausstoß  erheblich verringern, um die Erderwärmung infolge des Klimawandels einzudämmen.

Die gute Nachricht: Technologie wird uns zunehmend helfen, diese Herausforderung zu bewältigen. Die schlechte Nachricht: Sie muss noch viel mehr leisten, und das schneller. Inwiefern hilft uns Technologie? Wenn wir einmal einige der Industrien mit den höchsten CO2-Emissionen betrachten (Energie, Transport und Landwirtschaft), können wir sehen, welche massiven Umwälzungen dort stattfinden und wie diese sich auf die Emissionen auswirken.

Energiesektor im Wandel

Der Energiesektor durchläuft weltweit einen grundlegenden Wandel von einem System, das auf zentralisierter thermischer Erzeugung überwiegend mit fossilen Brennstoffen basiert, zu einem System, das zunehmend durch dezentrale erneuerbare Energiequellen angetrieben wird. Es wäre schön, wenn dies um des Klimaschutzes willen geschähe, doch stehen dahinter wirtschaftliche Erwägungen – aber das hat auch sein Gutes: so ist die Entwicklung auf lange Sicht nachhaltig.

Die wirtschaftlichen Gründe sind vor allem, dass die Kosten von Wind- und Sonnenenergie sowie von Lithium-Ionen-Batteriespeichern im Sinkflug sind (hauptsächlich aufgrund der Erfahrungskurve). Seit 2012 sind die Kosten von Windenergie um 50 % gesunken, die Kosten von Solarenergie um 80 % und die Kosten von Batteriespeichern um 85 %. Inzwischen sind sogar nicht subventionierte Kombinationen von Windenergie und Batteriespeichern oder Sonnenenergie und Batteriespeichern preisgünstiger als Erdgas.

Das können auch andere bestätigen. Auf der Wolfe Research 2019 Power & Gas Leader‘s Conference im Oktober sagte Jim Robo, Chairman und CEO von NextEra Energy, dem größten und erfolgreichsten Energieversorgungsunternehmen in den USA: „Unserer Einschätzung nach werden erneuerbare Energien plus Batteriespeicherung ohne Förderung preisgünstiger sein als Erdgas und preisgünstiger als Energie aus bestehenden Kohle- und Atomkraftwerken … und das ist bahnbrechend.“

Und auch bei der Dauer bis zur Inbetriebnahme eines neuen Kraftwerks machen erneuerbare Energien das Rennen. Dementsprechend steigt der Anteil der weltweiten neuen Energieerzeugung auf Basis von erneuerbaren Energieträgern rapide an, während der Anteil der neuen Energieerzeugung auf Basis von fossilen Brennstoffen rasch zurückgeht.

Die Gleichung verschiebt sich nicht nur auf der Angebotsseite. Auch die Nachfrage verändert sich rasant.

Immer mehr Unternehmen fordern von ihren Energieversorgern, dass sie ausschließlich „sauberen“ Strom aus erneuerbaren Quellen liefern. So zählt die Initiative RE100 inzwischen 212 der größten Unternehmen der Welt (einschließlich der  SAP) zu ihren Mitgliedern. Die Initiative ist ein globaler Zusammenschluss von einflussreichen Unternehmen, die sich die Nutzung von 100 % Strom aus erneuerbaren Energiequellen zum Ziel gesetzt haben. Alle 212 Unternehmen beziehen ihre gesamte Stromversorgung aus erneuerbaren Energien oder haben sich verpflichtet, dies in der nahen Zukunft zu erreichen.

Unternehmen tun das, weil es gut für das Geschäft ist. Verbraucher haben beim Kauf von Produkten ein besseres Gefühl, wenn sie wissen, dass diese unter Verwendung von erneuerbaren Energien produziert wurden, und Mitarbeiter schätzen es, für ein Unternehmen zu arbeiten, das sich für die Nutzung von erneuerbaren Energien engagiert.

CO2-Reduktion im Transportwesen

Die Kohlenstoffintensität von Elektrizität (gemessen in gCO2/kWh), einem der größten Verursacher von Kohlendioxidemissionen, sinkt weltweit. Wie sieht es bei der Transportindustrie, einem der Haupterzeuger von Umweltverschmutzung aus? Es ist ein Glück, dass die Stromnetze, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, rund um den Globus zunehmen. Denn die Transportbranche setzt zunehmend auf Elektrizität statt auf Sprit aus dem Dinosaurier-Zeitalter!

Warum steigt die Transportindustrie auf elektrische Energie um? Das hat drei Hauptgründe:

  1. Steigendes Umweltbewusstsein der Verbraucher
  2. Regionale, nationale und lokale gesetzliche und behördliche Vorschriften
  3. Wirtschaftlichkeit, denn die Betriebskosten für ein Elektrofahrzeug liegen deutlich unter denen für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor

Greta Thunberg hat bei der Sensibilisierung der jüngeren Generation für den Klimawandel und seine Folgen Unglaubliches geleistet. Doch schon bevor sie mit ihrer Kampagne weltweit Aufsehen erregte, sorgten die Vorschriften von 2019 zur Regulierung von NEVs (New Energy Vehicles) in China und die Emissionsvorschriften von 2020 für Fahrzeughersteller in der EU (neben lokalen städtischen Verordnungen zu Fahrverboten. Ältere Fahrzeuge mit höherem Schadstoffausstoß und nationale Verordnungen zum Ausstieg aus dem Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor) sind besonders betroffen. So hatten Fahrzeughersteller keine andere Wahl mehr, als ernsthaft in die Elektrifizierung von Fahrzeugen und anderen Transportmitteln einzusteigen.

Beispiele aus der Praxis

Während der weltweite Fahrzeugabsatz rückläufig ist, schnellen die Verkaufszahlen für Elektrofahrzeuge in die Höhe.

Volkswagen – in jüngster Zeit wegen fragwürdiger Praktiken mit rufschädigender Wirkung in den Schlagzeilen – beschloss getreu dem Motto von Winston Churchill, keine Krise ungenutzt verstreichen zu lassen: Sie setzen voll auf Elektrofahrzeuge. Das Unternehmen plant Ausgaben in Höhe von 60 Mrd. EUR bis 2024 für den Umstieg auf Elektro-, Hybrid- und vernetzte Fahrzeuge. Es wird bis zu 75 rein elektrische Modelle und rund 60 Hybridmodelle auf den Markt bringen und plant, bis 2029 26 Mio. reine Elektro­fahrzeuge und ca. 6 Mio. Hybridautos zu verkaufen.

Nicht weniger bezeichnend ist vielleicht Daimlers jüngste Ankündigung, dass es seine Programme für die Entwicklung von Verbrennungsmotoren einstellt und den Fokus stattdessen auf Elektrofahrzeuge legt. Die Tragweite dieser Ankündigung wird deutlich, wenn man bedenkt, dass Daimler Eigentümer von Mercedes Benz ist und dessen Gründer, Karl Benz, 1886 das Patent für das weltweit erste Serienfahrzeug mit Verbrennungsmotor erhielt. Heute, 133 Jahre danach, läutet Daimler das Ende der Ära des Verbrennungsmotors ein und beschließt, dass Elektroautos die Zukunft sind.

Doch nicht nur Autobauer, auch Motorradhersteller setzen auf Elektrizität: Alle großen Hersteller, darunter bekannte Marken wie Vespa, Yamaha, Honda und sogar Harley Davidson, haben inzwischen Elektromodelle angekündigt oder auf den Markt gebracht.

Auch bei Bussen, Lastwagen (vom Schwerlaster bis zum Lieferwagen) und Müllfahrzeugen wird auf Elektromodelle umgesattelt. Das ist nicht nur für die Reduzierung der CO2-Emissionen wichtig. Diese Fahrzeuge sind überwiegend im Stadtverkehr unterwegs, deshalb verbessert die Umstellung von Diesel- auf Elektroantrieb die Luftqualität, reduziert Lärm und senkt dabei deutlich die Betriebskosten für diese Nutzfahrzeuge.

Was den Kraftstoffverbrauch nach Fahrzeugkategorie angeht, so zeigt das obige Diagramm, dass Schwerlaster, Busse und Müllfahrzeuge weitaus mehr Kraftstoff verbrauchen als andere Fahrzeugarten. Doch ist der Kraftstoffverbrauch nicht nur ein klares Indiz für das Umwelt­verschmutzungspotenzial, sondern auch für die laufenden Kosten. Somit ist die Wirtschaftlichkeit wiederum ein klares Argument für den Umstieg auf Elektroantrieb. Ein gutes Beispiel hierfür sind Busse: Batterie-elektrische Busse haben Betriebskosten von 0,11 EUR pro Kilometer, über die Lebensdauer gerechnet, während bei Dieselbussen 0,41 EUR pro Kilometer an Betriebskosten anfallen. Deshalb werden batterie-elektrische Busse bis Ende der 2020er-Jahre den Markt beherrschen.

Und das ist noch nicht alles. Baumaschinen und -fahrzeuge werden Elektroantrieb haben. Schiffe werden Elektroantrieb haben. Sogar Flugzeuge werden Elektroantrieb haben. Das global tätige Beratungsunternehmen Roland Berger beobachtet derzeit 170 verschiedene Initiativen für Elektroflugzeuge (rund die Hälfte davon betreffen Lufttaxis für städtische Gebiete). Johan Lundgren, CEO von EasyJet, berichtet: „EasyJet unterstützt das US-Unternehmen Wright Electric im Rahmen einer Kooperation bei dem Ziel, Kurzstrecken innerhalb der nächsten zehn Jahre ausschließlich mit reinen Elektro­flugzeugen zu fliegen.“

Es gibt kaum ein Transportmittel, das nicht langfristig auf Elektroantrieb umgestellt wird. Und genau wie im Energiesektor, in dem die Energieerzeugung von Tag zu Tag „sauberer“ wird, reduziert der Umstieg auf Elektrizität auch im Transportwesen den CO2-Ausstoß (und trägt zur Lärmeindämmung sowie Verbesserung der Luftqualität bei).

Nahrungsmittelproduktion unter der Lupe

Die Nahrungsmittelproduktion ist die dritte Industrie, in der Technologie den CO2Ausstoß reduzieren kann. Die Landwirtschaft verursacht rund 13 % der gesamten weltweiten Emissionen. Damit ist der Agrarsektor nach der Energiebranche der weltweit zweitgrößte Verursacher von CO2-Emissionen. Und dabei sind die Emissionen, die mit der Entwaldung zur Gewinnung von landwirtschaftlichen Nutzflächen verbunden sind, noch nicht einberechnet.

Dieser Negativbilanz kann jedoch entgegengewirkt werden, wenn die derzeitigen Methoden der Nahrungsmittelproduktion auf den Anbau von Nutzpflanzen in großen Gebäudekomplexen für vertikale Landwirtschaft („Vertical Farms“) umgestellt werden.

Solche vertikalen Gewächshäuser verbrauchen 95 % weniger Wasser und 99 % weniger Land als konventionelle Bewirtschaftungsmethoden. Dabei werden keine Böden verbraucht, keine Herbizide oder Pestizide benötigt, und Nahrungsmittel können mitten in der Stadt erzeugt werden – mit entsprechend kurzen Transportwegen zu den Verbrauchern. Wenn Nahrungsmittel so nah am Verbrauchsort produziert werden, müssen die Erzeugnisse nicht mehr für eine möglichst lange Lagerfähigkeit optimiert werden. Stattdessen können Geschmack und/oder Nährstoffgehalt optimiert werden.

Und dann gibt es noch die „Clean-Meat“-Bewegung. Clean Meat (auch In-vitro-Fleisch genannt) ist Fleisch, das entweder durch Kultivieren von Tierzellen (d. h. ohne Schlachten des Tiers) hergestellt wird oder durch Umwandeln von pflanzlichem Protein derart, dass es den Geschmack und die Konsistenz von tierischem Protein annimmt. Unternehmen wie Beyond Meat und Impossible Foods sind auf diesem Gebiet schon erfolgreich tätig.

Unsere gegenwärtigen Methoden der Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln und Fleisch sind überaus ineffizient und haben eine katastrophale CO2-Bilanz. Auch mit einem weiteren Ausbau dieser Methoden kann die Weltbevölkerung, die in den kommenden Jahrzehnten auf 9 bis 10 Mrd. Menschen ansteigen wird, nicht ernährt werden – u. a. auch deswegen, weil die Mittelschicht in den Entwicklungsländern wächst und mit ihr der Fleischkonsum.

Wenn wir ein System etablieren, in dem wir Nutzpflanzen in riesigen vertikalen Gewächshäusern produzieren und aus diesen dann Clean Meat züchten, können wir einen großen Teil der Probleme lösen, die die konventionelle Landwirtschaft mit sich bringt. Dazu gehören neben der verheerenden CO2-Bilanz die gewissenlose Grausamkeit gegenüber den Tieren, die wir züchten, damit sie für uns geschlachtet werden. Zudem lassen sich so die ungeheuren Mengen an Antibiotika einsparen, die in der Viehzucht eingesetzt werden und zum Entstehen von multiresistenten Bakterien führen.

Wenn wir das Land, das wir der Erde geraubt haben, um es zu bebauen, an die Natur zurückgeben, können wir den dramatischen Rückgang der Artenvielfalt, den wir in den letzten Jahrzehnten beobachtet haben, umkehren. Wir können einen neuen Ökotourismus mit großem Wirtschaftspotenzial aufbauen. Und durch Wiederaufforstung können wir einen Großteil des Kohlendioxids, das im Laufe des letzten Jahrhunderts durch unsere Emissionen in die Atmosphäre gelangt ist, ausfiltern und so die schlimmsten Folgen des Klimawandels aufhalten.

Die Ergebnisse der UN-Klimakonferenz im Dezember 2019 in Madrid sollten uns Anlass geben, in all den Katastrophenszenarien eines nicht zu übersehen: Es gibt Lösungen. Wir müssen sie nur aufgreifen. Und zwar schnell.