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Windmöller & Hölscher

Das Migrationsprojekt bei Windmöller & Hölscher steht exemplarisch für eine Vielzahl von Unternehmen, die den Umstieg auf SAP S/4HANA planen. Erfahren Sie in dieser  Serie alles über die Planung, die Umsetzung und die gewonnen Erkenntnisse.

Der Maschinenbauer Windmöller & Hölscher mit Hauptsitz in Lengerich hat sein ERP-System auf SAP S/4HANA umgestellt. IT-Projektleiter Stefan Bussmann hat das komplette Projekt während der gesamten Laufzeit geleitet und mit seinen Team geplant und umgesetzt. Für unsere dreiteilige Serie steht der IT-Experte Rede und Antwort und berichtet detailliert von strategischen Zielen, Erfahrungen und Erfolgen – aber auch von Stolpersteinen und Rückschlägen.

Das Migrationsprojekt bei Windmöller & Hölscher steht exemplarisch für eine Vielzahl von Unternehmen, die den Umstieg auf SAP S/4HANA planen. Im ersten Teil unserer dreiteiligen Serie geht es um die Entscheidungsfindung, Planung, Vorstudie und Vorbereitung des Projekts.

Zu dem Zeitpunkt, als der Maschinenbauer erste Überlegungen für das Projekt anstellte, gehörte das Unternehmen zu den Vorreitern. Laut einer Studie der Marktforscher von PAC aus dem Jahre 2015 hatten seinerzeit nur zwei Prozent der befragten SAP-Anwenderunternehmen Migrationsprojekte in Angriff genommen, weitere 21 Prozente planten dieses für die kommenden drei Jahre. Trotz der merklichen Zurückhaltung stimmte schon damals die Mehrzahl der Unternehmen (62 Prozent) der Aussage zu, dass sie früher oder später die Einführung von SAP S/4HANA evaluieren werden.

„Wir haben es uns mit der Entscheidung, den Umstieg auf SAP S4/HANA relativ früh zu beginnen, nicht leicht gemacht“, sagt Projektleiter Bussmann. Denn auf der einen Seite war klar, dass es noch keine umfassenden Erfahrungen damit gab und W&H während des Projekts an der einen oder anderen Stelle Neuland betreten würde. Andererseits rechnete W&H damit, dass zu einem Zeitpunkt, wo viele andere noch zögerten, das Unternehmen als Early-Mover auf besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung durch SAP zählen könnte. Ebenso waren seinerzeit Consulting-Kapazitäten hinreichend verfügbar und auch sowohl der Hardware-Lieferant als auch der Infrastruktur-Dienstleister waren stark daran interessiert, frühzeitig bei einem großen SAP S/4HANA-Projekt dabei zu sein.

„Es lag auf der Hand, dass auch im Hinblick auf den irgendwann auslaufenden Support für SAP R/3 eine große Welle bevorstand. Wir wollten aber mit unserer Planung nicht später unter Zeitdruck geraten und das Heft des Handelns in der Hand behalten“, sagt Bussmann. Nicht zuletzt, um als einer der Digitalisierungs-Vorreiter in der Maschinenbaubranche die eigene Wettbewerbsposition zu sichern oder auszubauen. Denn tatsächlich war die Migration nicht zwingend notwendig, sondern eine Zukunftsinvestition: „Wir hatten eine gut funktionierende SAP-Anwendungslandschaft, die unsere Anforderungen zum damaligen Zeitpunkt erfüllte.“

Vorteile von SAP S/4HANA

Dennoch versprach sich Windmöller & Hölscher von SAP S/4HANA eine Vielzahl von Vorteilen in unterschiedlichen Bereichen: Einfacher bedienbare Benutzeroberflächen, schnellere Verarbeitung und Analysen in Echtzeit, Vereinfachung und Homogenisierung der IT-Landschaft und bessere Unterstützung der Fachbereiche. Vor allem aber in der Logistik, wo ohnehin die Einführung des SAP EWM (Extended Warehouse Management) anstand, bringt SAP S/4HANA einen entscheidenden Gewinn. Denn EWM, das in älteren SAP-Umgebungen als separates System betrieben werden muss, steht innerhalb von SAP S/4HANA auch als zentrales EWM („embedded“) zur Verfügung.

„Die Vorteile von EWM embedded gegenüber EWM stand-alone sind so eindeutig, dass es für uns keine Frage war, dass wir die embedded-Version nutzen wollten“, blickt der Projektleiter zurück. Ebenso will er mit der SAP S/4HANA-Einführung zukünftig auf BPC (Business Planning and and Consolidation), zurückgreifen, das ebenfalls in SAP S/4HANA integriert ist. Das Modul ermöglicht kaufmännische Planungsprozesse und die legale Konsolidierung aller Gesellschaften für den Konzernabschluss.

Vorstudie zur ERP-Migration: Kosten, Chancen und Risiken abschätzen

Es ist eine Binsenweisheit, dass große IT-Projekte einer gründlichen und exakten Planung bedürfen. Umso mehr, wenn es um das ERP-System geht, das Dreh- und Angelpunkt der gesamten Unternehmens-IT ist. So gab es auch bei Windmöller & Hölscher keine Zweifel bezüglich der Tragweite einer Migration des ERP-Systems: Von Anfang an war den IT- und Business-Verantwortlichen vollkommen klar, dass das Projekt nicht nur die IT betreffen würde, sondern die gesamte Organisation und nahezu alle Bereiche des Unternehmens.

Entsprechend gründlich wurde das Projekt angegangen: Die Vorbereitungsphase begann mit einer Vorstudie, bei der es zuerst um die technische Machbarkeit und die Frage ging, ob sich mit einem SAP S/4HANA-System alle aktuellen Prozesse würden abbilden lassen. Zudem wurde eine erste grobe Kalkulation angestellt, welche Kosten und Aufwände das Projekt verursachen würde. Nicht zuletzt ging es darum, ob sich die geplanten Verbesserungen in der Logistik im Zusammenhang mit dem EWM realisieren ließen.

Im Zuge der technischen Machbarkeit-Studie wurden die Systemanforderungen für die Hardware-Seite überprüft, denn es lag auf der Hand, dass die vorhandenen Server- und Speichersysteme die Anforderungen nicht erfüllen würden und ausgetauscht werden mussten. Darüber hinaus prüfte die IT die Versionsstände der angrenzenden Systeme und Add-Ons und ermittelte die Lizenzanforderungen des neuen Systems.

Nicht zuletzt ging es darum, den Aufwand für die Anpassung vorhandener eigener, selbst entwickelter Applikationen und Schnittstellen abzuschätzen. Die Code-Analyse ergab 23.000 Treffer – also Code-Zeilen oder Befehle, die es bei der Migration möglicherweise anzupassen galt. Weil indes eine Vielzahl von Altsystem und Schnittstellen im Zuge der Umstellung wegfallen würden oder es keine direkten Auswirkungen auf das neue ERP-System gab, blieben letztlich 1.200 Problemfälle, die tatsächlich überarbeitet werden mussten

Das Ergebnis der Studie: Das Projekt war technisch realisierbar, alle Prozesse ließen sich imSAP S/4HANA-System abbilden und auch die Verzahnung mit dem Logistik-Projekt war möglich. „Wir haben dann eine Liste der relevanten Anpassungen auf Applikationsebene erstellt, die auf der von SAP bereitgestellten ,SAP S/4HANA Simplification List’ basierte“ sagt Bussmann. Sie wies zwar in einigen relevanten Bereichen größeren manuellen Anpassungsbedarf aus, aber enthielt keine KO-Punkte. Zu den „schwierigen“ Punkten gehörte unter anderem ein angeschlossenes E-Commerce-System sowie die Verwaltung von Ursprungszeugnissen, deren Betrieb in der der bisherigen Form unter SAP S/4HANA nicht mehr möglich ist. „Nach Abschätzung der Kosten für Hardware, Lizenzen, Anpassungen sowie für Consulting-Leistungen während der Einführung hatten wir einen guten Anhaltspunkt, mit welchem Investitionsvolumen wir rechnen konnten.“

ERP-Umstellung: Mitarbeiter frühzeitig an den Planungen beteiligen

Aber bei einem Projekt, das sich mehr oder weniger auf alle Bereiche des Unternehmens auswirkt, geht es nicht nur um Kosten und technische Machbarkeit: „Es war von Anfang an klar, dass wir die Belegschaft zum frühestmöglichen Zeitpunkt einbeziehen wollten, weil der Erfolg eines Projektes dieser Größenordnung entscheidend von der Akzeptanz der Mitarbeiter abhängt“, sagt Bussmann.

Deswegen hat der IT-Projektleiter eine Reihe von Workshops initiiert, die den Mitarbeitern einen ersten Einblick in das neue System ermöglichen sollten. Zusammen mit SAP S/4HANA-Experten von SAP wurde in neun Workshops in allen Fachbereichen folgende Fragen diskutiert: In welcher Weise bin ich von der Umstellung betroffen, und verändern sich meine Arbeitsabläufe? – Ändert sich die Bedienung des Systems und welcher (Schulungs-)Aufwand kommt mit der Einführung auf mich zu?

Am Ende der Workshops fand ein Projekttag mit 125 Teilnehmern statt. Hier kamen das Projektleitungsteam, Führungskräfte, Key-User und Mitarbeiter zusammen. Die Projektleitung gab einen Überblick über den Stand und Planungen des Projekts. Auf der Agenda standen folgende Themen:

Überblick für alle Key-User und Führungskräfte:

  • Was ist SAP S/4HANA?
  • Was ist der Grundgedanke hinter dem neuen System?
  • Was ist der Projektstand und wie wird es weiter gehen?

Hinzu kamen allgemeine und fachbezogene Workshops und eine Teilnehmerbefragung, die sich um die Fragen drehte, wo die Mitarbeiter Reorganisationsbedarf sehen, welche Erwartungen sie an das neue System haben, ob sie die Einführung für sinnvoll halten und wie sie die Auswirkungen auf ihren Arbeitsplatz einschätzen. Das Ergebnis: Die große Mehrheit der Mitarbeiter sah vor allem Vorteile und begrüßte die Einführung des neuen Systems. Allerdings wiesen viele Befragte darauf hin, dass sie mit einer großen Reorganisationsbedarf für ihren Bereich rechneten.

Ende November 2016, nach der bis dahin fünfmonatigen Vorbereitungsphase, kamen Projektleitung, Geschäftsführung und Führungskräfte aller Bereiche zusammen, um die Ergebnisse der Vorstudie, der Workshops, des Projekttages und der Umfrage zu diskutieren. Dabei stand im Vordergrund, welche Chancen sich mit SAP S/4HANA eröffnen ließen, aber auch, welche Risiken sich für welche Bereiche ergäben.

Auch Fragen, ob und welche Vorteile ein früher Einstieg bringen würde und welches Einführungsszenario gewählt werden sollte, standen auf der Agenda. „Nach dem Meeting war klar, dass wir das Projekt in Angriff nehmen wollen. Im Folgenden ging es dann darum, uns für ein Einführungsszenario zu entscheiden und den Zeitrahmen für die Umstellung festzulegen“, sagt Projektleiter Bussmann.

Das Familienunternehmen Windmöller & Hölscher gehört zu den Weltmarktführern von Maschinen und Systemen zur Herstellung und Verarbeitung flexibler Verpackungen. Das Produktsortiment umfasst Hochleistungsmaschinen für Extrusion (Folienherstellung), Druck und Verarbeitung. Das Unternehmen ist weltweit vertreten und bietet von Beratung, Engineering und Lieferung von Maschinen bis hin zu individuellen Lösungen und kompletten Anlagen für die Verpackungsmittelproduktion alle Dienstleistungen und Produkte aus einer Hand. Das 1869 gegründete inhabergeführte Unternehmen, das heute weltweit rund 3.100 Mitarbeiter beschäftigt, feierte letztes Jahr sein 150-jähriges Firmenjubiläum. Maschinen und Anlagen von Windmöller & Hölscher sind bei mehr als 5.000 Kunden in über 130 Ländern im Einsatz. Die Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Lengerich, Nordrhein-Westfalen, erwirtschaftete 2018 rund 895 Mio. Euro Umsatz.


Im nächsten Teil unserer Serie lesen Sie, aus welchen Gründen sich Windmöller & Hölscher für eine „technische Migration mit nachfolgenden Reorganisationsprojekten“ entschieden hat und welche Vorteile es sich von diesem Ansatz versprach. Projektleiter Bussmann berichtet von und erfolgreichen Maßnahmen und Fortschritten während der Umstellung – aber auch von unerwarteten Stolpersteinen und Rückschlägen.