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Das herkömmliche Konsum- und Produktionsmodell der Wegwerfgesellschaft basiert auf einem linearen Materialfluss – von der Ressourcengewinnung über die Fertigung bis hin zur Entsorgung nach der Nutzung. Für einen Großteil des Ressourcenverbrauchs (insbesondere Stahl, Aluminium, Kunststoff, Gummi und Glas) ist die Automobilindustrie verantwortlich.

Sie erzeugt etwa fünf Prozent der weltweiten Industrieabfälle*, und die wachsende Nachfrage nach Elektroautos lässt auch den Verbrauch der für Batterien benötigten Materialien deutlich ansteigen.

Das Kreislaufprinzip spielt bei der Bewältigung der ökologischen Herausforderungen eine Schlüsselrolle, da es eine größtmögliche Werterhaltung während des gesamten Lebenszyklus von Produkten und Materialien ermöglicht. Zugleich sorgt die Verwendung von Sekundärmaterialien dafür, dass die übermäßige Nutzung begrenzter natürlicher Ressourcen vermieden, die Abfallmenge am Ende der Nutzungsdauer eines Fahrzeugs minimiert und die Emissionen bei der Herstellung verringert werden.

Unser gegenwärtiger Ressourcenverbrauch führt zu Klimawandel, Umweltschäden, Verschmutzung und Ungleichheit.**

Laut Angaben der Ellen McArthur Foundation könnten mit zirkulären Geschäftsprozessen CO2-Emissionen um bis zu 45 Prozent und Materialverschwendung um 90 Prozent reduziert werden. Durch Implementierung einer Strategie für Wiederverwendung, Wiederaufarbeitung und Wiederverwertung unterstützt eine Kreislaufwirtschaft Unternehmen zudem nicht nur bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele, sondern schafft auch neue Geschäftsmöglichkeiten für die gesamte Branche.

Wie ermöglichen Branchennetzwerke den Übergang zur Kreislaufwirtschaft?

Julia White, Chief Marketing and Solutions Officer der SAP, erläuterte in ihrem Artikel Neuausrichtung der Branchen für einen Übergang zur Kreislaufwirtschaft, dass Technologie das effektivste Mittel ist, um eine Kreislaufwirtschaft in großem Maßstab umzusetzen.

Unternehmen nutzen im Zuge ihrer digitalen Transformation Technologien, um Überschüsse bei den eigenen Abläufen zu eliminieren. Ein Übergang zur Kreislaufwirtschaft kann jedoch nicht innerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen gelingen, sondern nur durch Zusammenarbeit im gesamten Partnernetz.

Durchgängiger Prozess und Vorteile einer Kreislaufwirtschaft

Zur Umsetzung dieser Vision zielt das Branchennetzwerk Catena-X als Vorreiter in der europäischen Automobilindustrie darauf ab, alle Geschäftspartner – einschließlich Zulieferern auf allen Ebenen, Erstausrüstern (OEMs) und Recycling-Dienstleistern – in einem Netzwerk miteinander zu verbinden. So soll ein offener, sicherer und interoperabler Datenaustausch entlang der gesamten Wertschöpfungskette möglich werden.

Die Transparenz der Daten innerhalb des Netzwerks ermöglicht Einblicke in den gesamten Materialfluss während des Lebenszyklus eines Produkts von der Entwicklung bis zur Entsorgung. Mithilfe der Informationen von gemeinsam genutzten digitalen Zwillingen können bessere Entscheidungen zu Altfahrzeugen getroffen werden. So können noch brauchbare Teile zurück in den Kreislauf gelangen und aufgearbeitet oder wiederverwendet werden. Zugleich lassen sich wertvolle Rohstoffe effektiver recyceln.

Indem sie auf Daten zur CO2-Bilanz zugreifen, die entlang der gesamten Lieferkette nach einer standardisierten Methodik erfasst wurden, können die Netzwerkpartner außerdem Möglichkeiten zur Dekarbonisierung ermitteln, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Lösungen für Branchennetzwerke legen den Grundstein für die Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie

Mit den Paketen von SAP Industry Network for Automotive ermöglichen wir Unternehmen in der Automobilindustrie eine nachhaltige, datengestützte und lückenlose Zusammenarbeit.

Über das Netzwerk haben sie Zugriff auf digitale Zwillinge von Fahrzeugen und deren Bauteile. In Kombination mit Funktionen zur Materialrückverfolgbarkeit können Hersteller die Ursache von Qualitätsproblemen wesentlich effizienter und genauer ermitteln. Wichtige Produktinformationen wie Compliance-Zertifikate und Daten zu den CO2-Emissionen lassen sich innerhalb der Lieferkette sicher übertragen und austauschen. Dies ermöglicht einen besseren Einblick in die Nachhaltigkeitsleistung auf der Grundlage von Daten und zeigt Möglichkeiten zur Emissionsverringerung auf.

Über das Dashboard für einen digitalen Zwilling lassen sich auch in den nachgelagerten Prozessen Nutzungsdaten beispielsweise zur Wartung oder zum Zustand von Batterien aggregieren und analysieren. Demontageunternehmen können anhand der Ergebnisse dieser Analysen entscheiden, ob sie Altfahrzeuge ankaufen. Mit zusätzlichen Informationen zur Materialzusammensetzung oder Hinweisen der Zulieferer und Erstausrüster zur Demontage können Entscheidungen zur Wiederverwendung, Aufarbeitung und Wiederverwertung verstärkt auf Basis von Daten getroffen und so die Zirkularität von Materialien verbessert werden.

Das ist jedoch erst der Anfang. Die Automobilindustrie sind auf eine kontinuierliche Rückgewinnung von Sekundärmaterialien angewiesen, um diese aufzuarbeiten und wiederzuverwerten. So können sie flexibler auf Störungen der Lieferkette reagieren und Vorgaben für die Verwendung wiederverwerteter Materialien erfüllen. Verkäufer wie Demontageunternehmen verfügen zwar über die nötigen Bestände, um diese Nachfrage zu erfüllen, sehen sich aber angesichts eines sehr zersplitterten Marktes mit Problemen beim Absatz ihrer Komponenten und Bauteile konfrontiert.

Die Lösung Encore by SAP ermöglicht als sekundärer Marktplatz regenerative Geschäftsprozesse und eine lückenlose Zusammenarbeit der Netzwerkmitglieder. So kann die Kreislaufwirtschaft Wirklichkeit werden. Die bedarfsgesteuerte Handelsplattform für Unternehmen kann an Backend-Lösungen für die Beschaffung oder das Anlagenmanagement angebunden werden und schafft so die Voraussetzungen für einen einfacheren Verkauf und Kauf von Sekundärmaterialien und gebrauchten Bauteilen. Über die Plattform können Aftermarket-Bauteile wie Lichtmaschinen oder Batterien gehandelt werden. Sie soll zukünftig auch weitere Bereiche wie Sekundärmaterialien – von Aluminium bis Polyurethan – oder Produktionsabfälle abdecken.

Mit diesen Lösungen trägt SAP dazu bei, dass der Übergang zur Kreislaufwirtschaft gelingen kann. Gemeinsam mit Catena-X schaffen wir nachhaltigere, widerstandsfähigere und effizientere Lieferketten.


Hagen Heubach ist Global Vice President und Leiter der Industry Business Unit Automotive sowie Vorstandsmitglied des Catena-X Automotive Network.

Heiko Flohr ist Senior Vice President und Head of Product Management SAP für den Bereich Discrete Industries sowie Mitglied des Guidance Board des Catena-X Automotive Network.

* Simic V (2013): „End-of-life vehicle recycling—a review of the state-of-the-art“, Technical Gazette 20(2): 371–380
** Quelle: Ellen MacArthur Foundation, Global Resources Outlook, Weltwirtschaftsforum, Circularity Gap 2021, World Wide Fund for Nature