Die Standardprozesse aus Finanzbuchhaltung und Controlling, Materialwirtschaft und Einkauf schiebt der Industrieservices-Anbieter Rohrer in SAP S/4HANA Cloud, das selbstentwickelte ERP-System wird über Schnittstellen angebunden. Ein komplexes Vorhaben, das nicht als „IT-Projekt“ gilt – sondern als Projekt in der Mitte des Unternehmens.
„Es ist ein sehr umfangreiches Projekt, aber mit den richtigen Partnern an der Seite stemmen wir das“, sagt Jörg Steinlechner. Der junge Mann ist Systemadministrator bei der mittelständischen Rohrer Group, einem Anbieter von Industrieservices für die Öl- und Chemiebranche. Weil die Kunden das verlangen, und weil die Systeme auch intern nicht mehr genügten, migriert Rohrer derzeit auf SAP S/4HANA Cloud. Ein Projekt von insgesamt mehreren Jahren Dauer, das sich über 45 Standorte in 14 Ländern erstreckt. Neben SAP als Software-Lieferant unterstützt die Linzer S&T AG bei der Implementierung und beim internationalen Roll-Out.
Dabei gilt das Vorhaben bei Rohrer nicht als „IT-Projekt“. Sondern als Projekt in der Mitte des Unternehmens. Rohrers Informatiker kooperieren und kommunizieren mit allen Beteiligten, vom Firmenchef, der die Ziele vorgibt, bis zu den Anwendern in den Fachabteilungen FiBU und Controlling sowie Einkauf und Verkauf. Das sind insgesamt rund 200 Nutzer. Der Partner S&T hat das IT-Team schon bei der Evaluierung unterstützt und arbeitet nun operativ bei der Anbindung des ERP-Systems mit. Dieses System ist eine über rund zehn Jahre gewachsene Eigenentwicklung, und es bleibt on premise. „Wir werden unser bisheriges ERP-System zum Teil ablösen und zum Teil über Schnittstellen anbinden“, erklärt Steinlechner. Das Unternehmen geht also nicht komplett in die Cloud, sondern das IT-Team wird eine hybride Umgebung orchestrieren und managen. Faktisch ist das bei Rohrer weniger kompliziert, als es klingt, denn auch die Eigenentwicklung ist webbasiert. Das heißt, auch dieses System wird über einen Browser aufgerufen.
Fachbereich und Geschäftsführung drängten auf ein einheitliches, standardisiertes ERP-System
In die Cloud schiebt Rohrer die buchhalterischen Anwendungen sowie die Standardprozesse von Materialwirtschaft, Einkauf und Verkauf. Bisher arbeiten die verschiedenen Länder mit unterschiedlichen Lösungen. Fachbereich und Geschäftsführung drängten auf ein einheitliches, standardisiertes System. Die Sachbearbeiter am Bildschirm werden also neue Tools bekommen. „Schnittstellen, Oberflächen und Workflows ändern sich“, bestätigt Steinlechner.
Rohrer entschied sich für die Cloud, um das Management von Applikationen, Betriebssystemen und Hardware abgeben zu können. Das spezielle Know-how dafür bringt der Partner S&T mit. Michael Perfler, Business Unit Manager SAP bei dem Dienstleister, fasst die Vorteile so zusammen: „Cloud-Nutzer haben geringere Kosten und weniger Sorgen!“ Speziell an SAP S/4HANA Cloud schätzt er die vierteljährlichen Updates und Funktionserweiterungen: „Das erspart den Anwenderunternehmen, alle paar Jahre ein Mammut-Upgrade-Projekt stemmen zu müssen. Außerdem profitieren sie schnell von Innovationen.“
Den Change, den der Systemwechsel mit sich bringt, setzt das IT-Team mit „SAP Enable now“ um. Weil jede Fachabteilung eigene Bedürfnisse hat, werden die Lerninhalte mit diesem Tool spezifisch erweitert und den Anwendern zur Verfügung gestellt. Schulungen und Trainings bereiten die Mitarbeiter auf die Nutzung der neuen Lösung vor. Bevor diese Schulungen aufgesetzt wurden, hat die IT die Sachbearbeiter aus den Fachabteilungen nach ihren Bedürfnissen gefragt. „Und dieser Input fließt natürlich ein“, sagt Steinlechner.
Michael Friess, der das Projekt leitet, holt regelmäßig alle Beteiligten an einen Tisch. Damit die Kommunikation läuft, setzt das IT-Team auf eine gemeinsame Collaboration-Plattform. „Als IT-Abteilung stellen wir Anwendungen bereit, die die Geschäftsprozesse unterstützen und einen möglichst reibungslosen Ablauf ermöglichen“, fasst Steinlechner sein Rollenverständnis zusammen.
Go live in österreichischen Niederlassungen am 1. April
Den ersten Meilenstein erreicht das Migrationsprojekt am 1. April, wenn SAP S/4HANA Cloud in den Niederlassungen in Österreich live geht. Danach folgen halbjährliche GoLive-Zyklen für die anderen Standorte.
1975 hatte Johann Rohrer sein Familienunternehmen in Niklasdorf (Steiermark) gegründet, heute erwirtschaftet er mit rund 3.500 Mitarbeitern einen Umsatz von circa 350 Millionen Euro. Die Rohrer Group reinigt sowie repariert beispielsweise große Tanks in Raffinerien und plant Anlagenstillstände. Der Servicegedanke heißt für den Firmengründer, möglichst viel als End-to-End-Prozess aus einer Hand anbieten zu können. Das heißt: für Rohrer arbeiten einerseits Angestellte vor Ort in Industrieanlagen mit teils gefährlichen Substanzen, andererseits Informatiker mit hochkomplexen Datenbank-Systemen.
Selbstverständlich gibt es in dem Unternehmen eine Digitalisierungs-Strategie. Die beinhaltet für Firmenchef Rohrer auch Robotics und Automatisierung. Gerade für die schwierigen Arbeiten, die mit hohen Sicherheitsauflagen verbunden sind, will er immer mehr Maschinen einsetzen. Der 65-Jährige sagt: „Der Roboter soll die gefährlichen Arbeiten machen, nicht der Mensch!“