Jahrelang galt das Beschaffungswesen als eine Backoffice-Funktion, in der Experten für Finanzen, Lieferkette und Geschäftsabläufe unter sich waren. Doch durch das Aufkommen des intelligenten Ausgabenmanagements können Beschaffungsprofis jetzt auf der Vorstandsetage ein Wort über die Unternehmensstrategie mitreden.
Auf der jüngsten SAP Ariba Live präsentierten führende Köpfe auf dem Gebiet ihre Vision für intelligentes Ausgabenmanagement und erklärten, warum es Beschaffungsexperten völlig neue Möglichkeiten eröffnen kann.
Doch zuerst: Was ist intelligentes Ausgabenmanagement? Drew Hofler, Vice President des Bereichs Portfolio Marketing bei SAP Ariba, beschreibt es als den Prozess des Managements von Einkäufen über alle Kanäle, einschließlich direkter und indirekter Ausgaben, Reisekosten und Ausgaben für externes Personal. „Es geht darum, von der Bezugsquellenfindung bis zur Bezahlung alle Ausgaben in einer einheitlichen Sicht zusammenzuführen und die mit jeder Quelle und Kategorie zusammenhängenden Daten zu verstehen“, meint Hofler.
Seiner Ansicht nach umfassen SAP-Lösungen alle diese Bereiche. In den letzten sieben Jahren hat die SAP durch Unternehmenszukäufe ihr Portfolio so erweitert, dass es die gesamte Bandbreite von Prozessen für Bezugsquellenfindung, Beschaffung und Zahlung sowie Ausgaben für Reisekosten, externes Personal und Services abdeckt. Da diese Lösungen in SAP HANA integriert sind, können Beschaffungsexperten Daten aus diesen Anwendungen sofort verstehen und nutzen – damit bietet die SAP schon jetzt intelligentes Ausgabenmanagement.
Dreh- und Angelpunkt in der Beschaffung: die Plattform
Mike Quindazzi ist Managing Director bei PwC und als einer der führenden Influencer auf dem Gebiet Finanztechnologien anerkannt. Laut Quindazzi ist „Beschaffung eine der Unternehmensfunktionen, denen eine geringere Bedeutung beigemessen wird, aber wenn das Management sie zum Thema macht, hat sie einen sehr hohen Wert.“ Um dies proaktiv zu bewirken, brauchen Unternehmen seiner Meinung nach ein Konzept für intelligentes Ausgabenmanagement. Das bedeutet in erster Linie eine digitale Plattform, die die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Lieferanten unterstützt und eine ganzheitlichere Sicht auf die Unternehmensausgaben über ein Netzwerk hinweg ermöglicht.
„Es geht auch darum, ‚fit für Wachstum‘ zu sein, zu wissen, wo die Ausgaben und Einnahmen entstehen, damit das Management Investitionen an die Stellen umleiten kann, an denen sie bessere Erträge liefern“, so Quindazzi. Hat das Beschaffungswesen einmal diese Plattform im Rücken – das heißt nicht nur die Technologie, sondern auch einen Sitz am Tisch der Unternehmensleitung –, dann können Führungskräfte aus allen Bereichen gemeinsam über eine Ausgabenstrategie entscheiden, die das Unternehmenswachstum fördert.
Big Data ist der Treibstoff
Marcell Vollmer ist Chief Digital Officer von SAP Ariba und war über vier Jahre lang Chief Procurement Officer und Senior Vice President der Global Procurement Organization der SAP. Er erklärt: „Jeder weiß, dass Big Data der Treibstoff für die Wirtschaft ist. Doch jetzt haben wir eine Möglichkeit, uns Daten für alle Beschaffungs- und Ausgabenaktivitäten zunutze zu machen.“
Die Beschaffung ist häufig einer der letzten Backend-Prozesse, die digitalisiert werden. Doch wenn Unternehmen Zugriff auf diese Daten haben, können sie die einzelnen Aspekte des Einkaufs von Waren und Dienstleistungen und deren Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis besser verstehen. Zudem können diese Informationen in Algorithmen für maschinelles Lernen eingespeist werden, um Analysen durchzuführen, Prognosen zu erstellen und eine Ausgabenstrategie zu entwerfen.
Mit den durch intelligentes Ausgabenmanagement gewonnenen Erkenntnissen wird sich die Beschaffung nach Ansicht von Vollmer von einer vertragsorientierten hin zu einer strategischen, innovativen Funktion entwickeln. So können Beschaffungsexperten beispielsweise zur Wertschöpfung beitragen, indem sie Strategien für Risikomanagement und nachhaltige Lieferketten entwerfen. Vollmer hierzu: „In den meisten Fällen arbeitet die Beschaffung mit den fachlichen Führungskräften zusammen, etwa mit dem CIO, CMO oder Chief Supply Chain Officer. Doch das läuft meistens so, dass die Führungskräfte der Beschaffung sagen, was sie brauchen, und die Beschaffung setzt es um.“
Wie Vollmer hinzufügt, könnten Beschaffungsexperten, wenn sie aggregierte Ausgabendaten haben, in Besprechungen mit dem Topmanagement den Schwerpunkt vom operativen auf den strategischen Bereich verlagern. Vollmer erhielt etwa als Leiter der Beschaffung bei der SAP Daten über die Unternehmensausgaben für Server, die abseits der IT-Organisation eingekauft wurden, was zu einer völlig neuen Ausgangslage für die Besprechung der Rechenzentrumsstrategie mit dem CIO führte. „Nachdem wir das Erörtern der Richtigkeit oder Vollständigkeit von Daten hinter uns gelassen hatten und aufzeigen konnten, an welchen Stellen außerhalb des Netzwerks Server betrieben wurden, sprachen wir plötzlich darüber, wie Beschaffungsrichtlinien zum Schutz unseres geistigen Eigentums beitragen können“, erzählt er.
Kontext, Kultur, Cloud
Dion Hinchcliffe, Vice President und Chefanalyst von Constellation Research, stellt fest, dass „intelligentes Ausgabenmanagement uns einen kontextbezogenen Blick auf alle Vorgänge im Zusammenhang mit Ausgaben erlaubt und auf der Grundlage dieser Daten aufzeigt, wie wir diese am besten ausschöpfen können.“
Das kann etwa bedeuten, dass wir IoT-Daten nutzen, um Pakete auf dem Versandweg zu orten und festzustellen, ob sie beispielsweise aufgrund von ungewöhnlich hohen Temperaturen gefährdet sind. Auch Blockchain-Technologie kann zusätzlichen Kontext zum Beschaffungsprozess bereitstellen, etwa Echtzeitinformationen über Produkte und eine Schicht vertrauenswürdiger Daten.
Doch Hinchcliffe mahnt auch, dass die Auswertung neuer Informationen und die Annahme einer ganzheitlicheren Sicht auf Ausgaben einen kulturellen Wandel erfordert. „Intelligentes Ausgabenmanagement kann neue Geschäftsmodelle ermöglichen, doch dazu müssen Sie im gesamten Unternehmen Barrieren abbauen und Silos auflösen“, betont er.
Ist das jedoch gelungen, tun sich zahlreiche Chancen auf. Wie Hinchcliffe erklärt, können beispielsweise „Lieferanten dank der umfassenden Informationsgewinnung in Echtzeit über die Qualität ihrer Leistung informiert werden, und diese Informationen können kostenpflichtig sein, oder Sie können branchenspezifische Ausgabeninformationen gegen Gebühr bereitstellen. Es besteht ein großer Bedarf an Informationen über die Lieferkette, und hier bietet sich die Möglichkeit, Unternehmen dieses Wissen bereitzustellen.“
„Die SAP ist führend im Bereich intelligentes Ausgabenmanagement. Viele CFOs und Chief Procurement Officers sind weit entfernt von dem, was SAP-Lösungen möglich machen“, so Hinchcliffe. Doch seiner Meinung nach müssen Führungskräfte im Beschaffungswesen anfangen, ihre Abteilung für zukünftige Märkte und Produkte zu rüsten. Der erste Schritt ist dabei die Verlegung in die Cloud. „Der Einstieg in das intelligente Ausgabenmanagement ist die Umstellung der Beschaffung und der Lieferkette auf die Cloud. Nur damit haben Sie die nötige Vernetzung und die einfachen Upgrade-Möglichkeiten. Solange das nicht geschehen ist, bleibt intelligentes Ausgabenmanagement Zukunftsmusik.“