Die Steuerabteilung ist kein digitaler Nebenschauplatz. Neue Gesetze, Technologien und Geschäftsmodelle verändern das Tax Management weltweit rasant. Jetzt sind die deutschen Unternehmen am Zug. Das Fernziel: eine vollautomatische Steuerfunktion.
„Das Bewusstsein für den digitalen Wandel der Steuerprozesse ist hierzulande sehr unterschiedlich ausgeprägt“, sagt Heiko Schäfer, Partner bei PwC. „Viele Firmen registrieren nur am Rande, wie drastisch sich das globale Umfeld für den Steuerbereich verändert.“
Beispiel Realtime-Reporting: In immer mehr Ländern müssen Unternehmen jede Rechnung schon bei Versand der Finanzbehörde zukommen lassen. Beispiele dafür sind Spanien und jüngst Italien. Die Vorreiter für die komplexeren Compliance-Regeln waren vor einer Dekade Staaten wie Australien. Heute sind es vor allem Länder im osteuropäischen Raum und in Asien, die sehr strenge, individuelle Compliance-Regeln einführen. In Ungarn beispielsweise muss jedes Unternehmen die Buchhaltung in der Landessprache vorhalten. Wer die Vorgaben missachtet, dem drohen empfindliche Strafen.
Anders in Deutschland. Zwar gelten dort E-Bilanz und elektronische Steuererklärung, aber noch senden die Unternehmen keine Transaktionsdaten an die Behörden. In jüngster Zeit dringt das Thema jedoch auch in hiesige Chefetagen, nicht zuletzt durch die internationalen Anforderungen. Aus gutem Grund.
Steuerfunktion im Zeitalter von SAP S/4HANA
„Wir befinden uns inmitten einer massiven Digitalisierungswelle“, sagt Heiko Schäfer. „Die meisten Unternehmen denken intensiv darüber nach, wie sie die nächste ERP-Generation SAP S/4HANA einführen können. Oder sie stecken bereits mitten in der Transformation.“ Dabei drehen sie auch ihre Steuerabteilung auf links: Was soll, was muss sie in den kommenden Jahren leisten und wie lässt sich das durch SAP S/4HANA unterstützen?
Einzelnen steuerlichen Aspekten schenken die Unternehmen dabei unterschiedlich viel Aufmerksamkeit. Jeder hat beispielsweise die Abbildung der Umsatzsteuer im Blick, teilweise auch die Anforderungen eines Echtzeit-Reportings. Deutlich weniger ausgeprägt ist das Bewusstsein oft bei der Ertragssteuer. Entscheider sind aber gut beraten, diese Themen in ihre ERP-Planungen aufzunehmen. Sonst drohen später teure Nachrüstungen.
Nun sind die rechtlichen Anforderungen aber nur ein Teil der digitalen Herausforderung, weiß Adrian Goldbrunner, Prokurist bei PwC. Es gilt auch, die Arbeitsabläufe insgesamt auf eine beweglichere Basis zu stellen. „Hat man früher ein ERP-System eingeführt oder migriert, hieß es: Wir brauchen die Steuerfindung eigentlich nur, damit der Vertrieb am Ende eine korrekte Rechnung erstellen kann“, sagt Goldbrunner. Heute würden die Unternehmen viel strategischer agieren.
Neben der immer komplexeren Gesetzeslage liegt das auch an den Geschäftsmodellen der Unternehmen. „Die Vertriebslogik ändert sich, digitalgestützte Ansätze wie Sharing Economy sind im Kommen“, so Goldbrunner. „ERP-Systeme müssen darum heute viel beweglicher sein.“ In manchen Unternehmen treibt der Vertrieb die Steuerabteilung regelrecht vor sich her: Sie muss immer wieder Funktionen anpassen, wenn beispielsweise Abo-Modelle die früheren Einzelpreise ablösen. Monatelange IT-Projekte und Testings sind die Folge. Darum empfiehlt Goldbrunner jetzt eine flexiblere Steuerfindung: „Sie muss die gesetzlichen Anforderungen abdecken, aber eben auch neue Vertriebsmodelle. Idealerweise mit zwei, drei Klicks.“
Entscheidern entgehen Effizienzpotenziale
Eine Migration bietet immer auch die Chance, bestehende Prozesse auf den Prüfstand zu stellen. Wer nur wechselt, weil der Support des Anbieters endet, aber die Möglichkeiten der neuen Software nicht ausreizt, verschenkt Potenzial.
„Entscheider haben ihre Steuerabteilung selten auf der Rechnung, wenn es um Effizienzpotenziale durch die Digitalisierung geht“, sagt Adrian Goldbrunner. „Sie hat schließlich keine unmittelbar wertschöpfende Funktion. Im Einkauf beispielsweise sind die Vorteile klarer. Dort kann man leicht zehn Prozent einsparen, wenn man seine Zulieferer digital besser überblickt.“
Tatsächlich birgt aber auch die Steuerabteilung viele Optimierungschancen. Mit neuen Tools wird nicht nur die einst aufwendige Compliance zum Selbstläufer, es lassen sich auch viele Arbeitsprozesse deutlich verschlanken. So braucht es weniger manuelle Nacharbeit in Excel, um die Steuererklärung aufzubereiten. Die Zahlen kommen nun direkt aus dem System. Diese Automatisierung spart enorm viel Zeit.
Steuererklärung auf Knopfdruck?
PwC-Experte Heiko Schäfer denkt die digitale Entwicklung aber bereits deutlich weiter. „Das Ziel ist die Steuererklärung auf Knopfdruck, mit den Daten aus sämtlichen Unternehmensbereichen.“ Ob diese Vision tatsächlich in den kommenden Jahren zur Realität wird, ist für Schäfer zweitrangig. Vielleicht wird es immer Sonderfälle geben, die sich nicht automatisieren lassen. „Man darf sich nicht auf die wenigen Dinge konzentrieren, die noch nicht klappen, sondern auf die vielen Bereiche, die sich bereits heute enorm verbessern lassen. Wenn ich statt 30 Prozent nun 80 Prozent automatisiere, dann ist das doch ein Riesenfortschritt.“
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