Der 12. Oktober 2018 markierte einen Wendepunkt in der über 100-jährigen Geschichte des Münchener Bremsenspezialisten Knorr-Bremse: Das Unternehmen ging an die Börse. Die kleine Treasury-Abteilung nahm die Herausforderung an – und ist heute ein wichtiger Impulsgeber für Prozessstandardisierungen im Finanzbereich des Konzerns.
Kai Gloystein trat in große Fußstapfen, als er im Januar 2018 bei Knorr-Bremse einstieg: Sein Vorgänger auf dem Posten des Head of Corporate Finance & Treasury hinterließ eine hocheffiziente Treasury für die 100 Standorte in 30 Ländern. Hocheffizient – aber noch nicht bereit für die zunehmenden Anforderungen im Finanzwesen einer börsennotierten Gesellschaft, denen sich der Weltmarktführer für Bremssysteme stellen musste.
„Die Strukturen waren noch nicht vollständig bereit für die Pflichten, denen Börsenunternehmen nachkommen müssen“, sagt Gloystein. „Wir hatten im Finanzbereich gewichtige Themen auf der Agenda: unsere Governance weiter stärken, von HGB- zu IFRS-Buchhaltung wechseln, Hedge Accounting im Treasury einführen und dabei auch verschiedenste Kontenpläne harmonisieren.“
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Zunächst suchte Gloystein den Schulterschluss mit der Unternehmensberatung EY. Dort fand er in Thomas Schmidt, Partner und Leiter SAP Treasury Consulting in der DACH-Region, den idealen Sparringspartner. Gemeinsam analysierten sie die Lage. „Bei meinem Einstieg hatte unsere Treasury-Abteilung vier Mitarbeiter, davon zwei in Vollzeit“, sagt Gloystein. „Dazu kamen noch eine Handvoll Kollegen in den USA und in Hongkong, es war ein überschaubares Team.“ Dass trotz der geringen Manpower bisher alles reibungslos geklappt hatte, war dem hohen Automatisierungsgrad der bestehenden Systeme zu verdanken. Doch auch hier gab es Verbesserungspotenzial.
Vier Inseln, ein Ziel
„Knorr-Bremse nutzte mehrere Systeme parallel“, sagt Thomas Schmidt. „Neben SAP Treasury gab es Tools für Bankkontenverwaltung, Marktdaten-Transformation, Garantie-Management, Intercompany-Verrechnung und Liquiditätsplanung, die alle mehr oder weniger effizient genutzt wurden. Wollte man sich einen Überblick verschaffen, musste man die einzelnen Datensätze durcharbeiten und in Excel manuell aufbereiten. Dafür braucht es eine Vollzeitstelle.“
Die Tools waren über die Jahre angeschafft worden, um einzelne Aufgaben zu lösen oder Abläufe zu verbessern. Damals war die Technologie schlicht noch nicht so weit, um alle Schritte zu integrieren und den Prozess zu vereinfachen. Im Jahr 2018 sah das ganz anders aus, Harmonisierung war das Gebot der Stunde. Jedoch wollte Knorr-Bremse einen seiner großen Wettbewerbsvorteile behalten, nämlich eine möglichst schlanke Aufstellung. Gloystein verlagerte die Backoffice-Funktion vom Accounting zurück ins Treasury, holte lediglich drei weitere Mitarbeiter für die Aufgaben in Front-, Middle- und Backoffice und die neue Hedge-Accounting-Funktion ins Team. Damit waren auch die Funktionstrennung und eine durchgängige Vertretungsregelung gewährleistet.
Ausweitung der Komfortzone
Anfang 2019, nicht einmal eineinhalb Jahre nach dem Startschuss, waren die IFRS-Umstellung und die Einführung des Hedge Accountings in der Treasury abgeschlossen. „Wer einmal eine Transformation mitgemacht hat, der weiß, wie ungewohnt sich das anfühlen kann und welche Sorgen entstehen“, sagt Schmidt. Wichtig sind für ihn Offenheit und ein eingespieltes Team, in dem man sich immer aufeinander verlassen kann. Den menschlichen Faktor dürfe man niemals vernachlässigen.
Der Einsatz zahlte sich aus: Das Treasury-Team verfügt heute über die fortschrittlichsten SAP-Strukturen des Konzerns. Statt zweimaliger Hedgings jährlich gibt es heute eine Monatsplanung – das verändert vieles. „Die Umstellung war intern ein großes Thema“, sagt Gloystein. „Bei der Änderung konzernweiter Prozesse muss jeder Aufwand reinstecken, wird dafür aber auch belohnt. Die Anwender können selbst analysieren, welche Effekte ein bestimmter Cashflow beispielsweise auf das Eigenkapital hat.“ Was früher eine Blackbox war, ist jetzt ein Glaskasten. Nicht zuletzt deshalb dient das Treasury heute auch als Vorbild für weitere Standardisierungen von Prozessen im Konzern.
Roadmap zu SAP S/4HANA erarbeiten
Nach diesem ersten Erfolg dachte Kai Gloystein noch einen Schritt weiter. „IFRS und Hedge Accounting waren wichtige Pflichtübungen, die wir erfolgreich abgeschlossen und dabei das genutzte SAP-System umfassend modernisiert und aufgeräumt haben. Jetzt sind wir bereit für den nächsten Schritt.“ Die Idee: Das Treasury-Team soll in einem Vorprojekt die Roadmap zu SAP S/4HANA im Treasury erarbeiten und gleichzeitig mit den Funktionen der SAP Analytics Cloud experimentieren. „Wir sind sozusagen das wendige Schnellboot, das dem Mutterschiff vorauseilt und die digitalen Möglichkeiten sondiert.“ Wie lange dauern einzelne Schritte? Welche Kapazitäten braucht die Umstellung? Diese und weitere Fragen gilt es jetzt zu klären. Das Ziel ist es, die Prozesse noch stärker zu vernetzen und zu automatisieren. „Von diesem Erfahrungsschatz wird der gesamte Konzern profitieren“, sagt Michael Hilzinger, CIO von Knorr-Bremse.
Webcast-Aufzeichnung: Krisenfestes Liquiditätsmanagement mit SAP und EY
Das Virus und andere Gefahren
Mitten in das Vorprojekt platzte die COVID-19-Krise. Als ertragsstarker Konzern hat Knorr-Bremse zwar keine Existenzsorgen, doch steigen die Anforderungen an das Liquiditätsmanagement. Die hochdynamischen Zeiten verlangen mehr Transparenz und eine präzisere Planung, darum müssen die Mitarbeiter verschiedene Szenarien visualisieren können. Hinzu kommen neue Fraud-Risiken, erklärt Schmidt: „Krisen sind immer auch Einfallstore für Kriminelle. Ein ungewohntes Umfeld kann zu Betrug und Manipulation im Zahlungsverkehr verleiten.“
Das Team steht also vor drei Aufgaben: die SAP S/4HANA-Vorstudie abschließen, das Liquiditäts-Reporting auf ein neues Level heben und die Kontrolle des Zahlungsverkehrs verbessern. Die Schlüssel zum Erfolg sind Mut und Teamwork, sagt Schmidt. Es sei nicht selbstverständlich, dass ein Treasurer die digitale Vorreiterrolle übernehme. Viele Verantwortliche scheuten Aufwand und Verantwortung, warteten lieber ab. Das mag auch daran liegen, dass Impulse und Unterstützung von außen fehlen. „Derart anspruchsvolle Projekte schafft kaum ein Unternehmen mit Bordmitteln“, sagt Berater Schmidt. „Wir haben von Beginn an intensiv diskutiert und uns immer wieder Unterstützung von SAP geholt. Gerade wenn es um digitale Pionierarbeit geht, ist die helfende Hand des Anbieters wichtig.“
Zweieinhalb Jahre nach seinem Start zieht Kai Gloystein ein vorläufiges Resümee: „Wir haben unsere dringlichsten Ziele pünktlich erreicht und sind in der neuen Welt angekommen. Jetzt sehen wir uns an, welche Möglichkeiten sich uns hier bieten. Eine spannende Zukunft liegt vor uns.“
Über Knorr-Bremse
Rund 29.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Knorr-Bremse setzen sich mit Know-how und Leidenschaft für ihre Kunden und Partner ein – an über 100 Standorten in mehr als 30 Ländern rund um den Globus. 2019 erwirtschaftete der Konzern mit seinen beiden Unternehmensbereichen Systeme für Schienen- und Systeme für Nutzfahrzeuge einen Umsatz von 6,9 Mrd. Euro. Knorr-Bremse ist einer der erfolgreichsten deutschen Industriekonzerne und profitiert von den wichtigen globalen Megatrends: Urbanisierung, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Mobilität.
Über EY
Mit 284.000 Mitarbeiter*innen in mehr als 150 Ländern ist EY eines der weltweit größten Prüfungs- und Beratungsunternehmen und bietet Ihnen umfassende Fachkompetenz mit weltweit einheitlichen Qualitätsstandards. Das Dienstleistungsangebot von EY Deutschland umfasst die Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Beratung, Steuer-, Transaktions- und Unternehmensberatung. Ob neue Geschäftsmodelle, Liquiditätsplanung, Data Analytics oder Cybersecurity: Wir helfen Unternehmen, die digitale Transformation zu meistern und langfristigen Mehrwert zu schaffen. Mehr erfahren Sie unter: www.ey.com/de