Ein aktueller Trend geht zu benutzerzentrierten Innovationen. Agile Methoden wie das Design Thinking spielen für Unternehmen beim Suchen und Finden von Neuerungen eine immer wichtigere Rolle.
Wie findet man Antworten in einer immer komplexeren Welt? Wie erreiche ich das Kundenerlebnis, das ich haben will? Wie kann ich möglichst viele Menschen an der Entwicklung beteiligen und dafür sorgen, dass gute Ideen nicht verlorengehen? Das geht mit agilen Methoden wie Design Thinking, Kanban, Rapid Prototyping oder Continuous Integration. Sie gehören zu neuen Formen der Kollaboration, die mit einer anderen Herangehens- und Sichtweise dabei helfen, Probleme zu lösen.
77 Prozent nutzen agile Methoden
Laut der Kienbaum-Studie „All-Agile IT“ sind agile Methoden und Prinzipien in Unternehmen inzwischen relativ weit verbreitet. In der Softwareentwicklung nutzen mehr als Dreiviertel (77 Prozent) der Firmen der befragten 250 Entscheider agile Methoden. 60 Prozent wenden Scrum regelmäßig an. Statt ein Entwicklungsprojekt in einem einzigen großen Plan zu erfassen, trennt Scrum die Vision von der Frage, wie die Programmierer sie später technisch umsetzen. Und sogar 29 Prozent der befragten Unternehmen verwenden bereits Design Thinking regelmäßig.
Design Thinking wurde als Methode von der Stanford University in den USA in den 70er Jahren entwickelt. Heute ist das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut (HPI) des SAP-Gründers das in Deutschland bekannteste Design-Thinking-Institut. Beim Design Thinking geht es darum, Modelle zu entwickeln bei dem der externe oder interne Kunde im Mittelpunkt steht.
„Niemand möchte eine Software, die das eigentliche Problem nicht löst“, sagt Max Wessel, der bei SAP den Bereich New Ventures and Technologies leitet. Entwickler sollten sich bereits vor dem Programmieren in den Nutzer hineinversetzen, um seine Herausforderungen zu verstehen.
Dabei wird viel ausprobiert. Was auf den Markt kommt, muss noch nicht bis ins letzte Detail fertig sein. Wenn etwas nicht funktioniert, wird es, basierend auf den Praxiserfahrungen, nachgebessert. Anders als früher können Unternehmen mit den modernen Team-Methoden Entscheidungen viel schneller treffen.
Früher wurde Software anders entwickelt. Software-Entwickler setzten auf das „Wasserfall-Modell“. Anhand eines klar definierten Ablaufs wurde ein Projekt schrittweise bearbeitet. Wer Software schrieb, bekam vor der Entwicklung aufwendige Pflichtenhefte und Leistungsbeschreibungen. Der Entwickler begann die nächste Aufgabe erst, wenn die vorherige Stufe beendet war. Die Zeit, in der programmiert wurde, konnte sich auf mehrere Jahre ausdehnen. Vorteil: große Planungssicherheit, Nachteil: geringe Flexibilität. Die Idee, ein Projektziel aufzusetzen, das Projekt in Phasen zu teilen und diese abzuarbeiten, hat heute keiner mehr.
Kürzere Time-to-Market-Prozesse
„Am Ende des langen Prozesses haben wir oft festgestellt, dass sich die Welt mittlerweile verändert hat“, sagte Michael Hilzinger, CIO der Klöckner AG, bei einem Vortrag auf den Hamburger IT-Strategietagen. Die Entscheidungsprozesse in den Unternehmen haben sich mittlerweile gründlich gewandelt. Digitalisierung und kürzere Time-to-Market-Prozesse zwingen die Unternehmen dazu, ihre Software schneller einsatzfähig zu machen.
Denn der Erfolg der großen Player im Silicon Valley basiert auf ihrer Schnelligkeit. Viele Firmen versuchen nun, von den Startups und ihren agilen Entwicklungsprozessen zu lernen.
Viele DAX-Konzerne haben Schnellboote in der Hauptstadt gegründet, die mit agilen Methoden arbeiten, darunter Volkswagen, die Post und die Telekom. Dort wird Innovation gefördert, werden Ideen, Geschäftsmodelle und Applikationen gesucht, um sie in bessere Produkte und Dienstleistungen umzusetzen.
Klöckner etwa hat mit der kloeckner.i GmbH ein Startup mit „Digital Lab“ in Berlin eröffnet. Dort beschäftigt der Stahlhändler Menschen, die mit anderen Prozessen und Arbeitsweisen als die Kollegen am Stammsitz in Duisburg arbeiten. Für das traditionsreiche Unternehmen war das kulturell ein großer Schritt. Dort wird nicht mehr hierarchisch, von oben nach unten, gearbeitet, sondern gemeinschaftlich. Kleine, interdisziplinäre Teams entwickeln gemeinsam Konzepte, die die Bedürfnisse und Motivationen der internen oder externen Kunden in den Mittelpunkt stellen.
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Bilder: Florian Schmitt
Design Thinking: Neu denken und vieles ausprobieren
Das Ziel beim Design Thinking ist, ein Konzept in fünf Schritten zu erarbeiten: Verstehen, Lösungsansätze finden, Entscheiden, Prototypen entwickeln und Überprüfen. Mögliche Lösungen entstehen in mehreren Schleifen. Es geht darum, das steckt im Wort „Design“, die Idee zu visualisieren. So entstehen Prototypen, die die Ergebnisse erlebbar machen. Es soll nicht nur geredet werden. Das kann so weit gehen, dass die Teilnehmer Filme drehen, töpfern, zeichnen und basteln, mit Legosteinen bauen oder Rollenspiele aufführen.
„Design Thinking spielt beim Finden von Innovation eine essenzielle Rolle“, sagt Glenn González, Chief Technology Officer (CTO) bei SAP Deutschland. Dabei hänge der Erfolg der Methode davon ab, sie richtig einzusetzen. Einige Unternehmen nutzten sie nicht als Werkzeug, um sehr strukturiert kreativ zu werden. Stattdessen handele es sich um Alibi-Veranstaltungen, wo der Workshop zu einem „Shiny Happy People Day” gerate, der aber niemandem wirklich nütze.
„Design Thinking spielt beim Finden von Innovation eine essenzielle Rolle.“ (Glenn González, CTO bei SAP Deutschland)
González hat beobachtet: „Manche IT-ler entwickeln seit Jahren Software, ohne dass sie intensiven Kontakt zu denjenigen haben, die diese später einsetzen sollen.“ Im Laufe eines Design-Thinking-Vormittags merke man dann, wie die Teilnehmer anfingen, ihre Einstellungen zu verändern und die Positionen der anderen Leute zu verstehen.
Fachsprachen und Perspektiven zusammenbringen
„Buchhalter, Geschäftsführer, Marketingfachleute und Entwickler verstehen sich oft nicht“, stellt auch Holger Rhinow, Programm-Manager an der HPI Academy, fest. Zu unterschiedlich seien ihre Denkweisen. Es müsse deswegen eine neue Struktur geben, um die Fachsprachen und Perspektiven zusammenzubringen. Design-Thinking-Teams adressierten dieses Problem.
In den Workshops treffen die End-user auf die, die das System entwickeln. Hier sitzen alle, vom Entwickler, IT-Architekten, Business-Manager bis hin zu den Vertriebs- und Service-Verantwortlichen, in einem Kreativ-Workshop.
Bei SAP werden noch mehr Tools beim Entwickeln von Innovationen eingesetzt. Neben Design Thinking nutzen die SAP-Mitarbeiter die Lean-Startup-Methode, ein Ansatz der Unternehmensgründung, bei dem alle Prozesse so schlank wie nur möglich gehalten werden. Max Wessel: „Es geht hier darum, wie man etwas baut, auf den Markt bringt, eine Hypothese testet und Feedback sammelt – immer wieder von Neuem.“
Das „SAP.iO Venture Studio“ „ist Teil des SAP-Inkubationssystems. Dort fördert das Unternehmen durch den firmeneigenen Talentpool und SAP-Ressourcen junge Unternehmen, die Kunden bei der Lösung von wichtigen Problemen helfen und ihnen ein effizienteres und produktiveres Arbeiten ermöglichen wollen. Wessel: „Das gesamte System, das wir hier implementiert haben, soll die Teams ermutigen, Produkte auf den Markt zu bringen, Feedback zu integrieren und sie sehr schnell anzupassen.“
In Echtzeit Feedback erhalten mit Experience Management
Ein weiteres Werkzeug basiert auf datengesteuertem Produktdesign. Der Marktforschungsspezialist Qualtrics, den SAP Ende 2018 übernommen hat, verspricht, Experience Management (XM) in verschiedenen Kategorien. Wessel: „Eine der Kategorien ist die Produkterfahrung. Es gibt hier die Möglichkeit, Websites und Webanwendungen zu analysieren, so dass man versteht, wie sich der Benutzer verhält. Man erhält dadurch in Echtzeit Feedback darüber, wie zufrieden die Kunden und Mitarbeiter sind, wie ihre Marken und Produkte wahrgenommen werden.“
Olaf Röper, Berater bei der Berliner Acent AG und lange Jahre IT-Chef beim Stahlkonzern ThyssenKrupp, ist von den neuen agilen Methoden überzeugt. „Das ist kein Hype, sondern eine valide Lösungs-Findungs-Strategie“, sagt er. Für den Erfolg brauche man aber ein Klima, das der Entwicklung von Ideen förderlich ist – und die richtigen Menschen. „Disruptive Tendenzen, die bestehende Technologien, Produkte oder Dienstleistungen vollständig verdrängen, erkennt man in der Regel nicht von innen“, sagt er.
Die Unternehmen benötigten zudem auch das Wissen darum, wie sie die Methoden wieder zurück in eine operative Umgebung überführen. Röper: „Wenn eine Firma nicht flexibel genug ist, wird sie letztlich trotzdem erfolglos bleiben.“ Wenn man die Methoden ernst nehme, hätte das Auswirkungen auf die gesamte Unternehmenskultur. Sie erforderten ein Umdenken bei den Mitarbeiteten, große Veränderungsprozesse in der Organisation und benötigten ein entsprechendes umfassendes Change-Management.
Firmen, die das alles verstanden hätten, bildeten danach eigene Design-Thinking-Coaches aus, sagt González von SAP – und zwar nicht nur in der IT, sondern in allen Bereichen, auch beim Vertrieb, bei der Beratung sowie im Service – und sogar in der Buchhaltung.
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Update (COVID-19):
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