Was sind die langfristig prägenden Trends von Innovation? Der neue Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung hat fünf Thesen aufgestellt, wie Innovation im Jahr 2030 aussehen wird, und will damit eine Diskussion in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entfachen.
Jeder weiß, wie schwierig Prognosen sind. Nicht einfacher werden sie durch die immer stürmischere wirtschaftliche Entwicklung und die zunehmende Abhängigkeit von globalen Wechselwirkungen. Die Wissenschaftler des 2017 gegründeten Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung – 1.700 Mitarbeiter in sieben Instituten – haben es trotzdem gewagt und in fünf Thesen aufgeschrieben, wie Innovation im Jahr 2030 aussehen wird und welche Voraussetzungen und Trends Innovationen ihrer Meinung nach bis dahin beeinflussen werden.
These 1: „2030 sind Offenheit, Lernfähigkeit und Kooperation die Leitbilder von Innovation.“
Alles hängt mit allem zusammen. Disziplinär isolierte Einzelinnovationen werde es bald nicht mehr geben, meinen die Forscher. In elf Jahren gehe es vielmehr um Innovationssysteme, die interdisziplinär miteinander verflochten sind. Alle Veränderungen sind 2030 global und umfassend. Sie haben sowohl soziale als auch technologische und ökonomische Auswirkungen.
Immer schwieriger und anspruchsvoller werde es, komplexe Innovations- und Wandlungsprozesse zu initiieren, zu koordinieren und aufrechtzuerhalten. Veränderungen werden zum Standard. Die Wissenschaftler finden: Wenn man sich immer schneller und effizienter an neue Gegebenheiten anpassen muss, dann gelingt dies am besten in einem offenen und flexiblen System, in dem Kooperation eine wichtige Voraussetzung ist.
Daran, dass digitale Innovationen deutlich schnellere Entwicklungszyklen haben, müssen wir Menschen uns erst einmal gewöhnen, sagt der Geschäftsführer des Fraunhofer-Forschungsverbunds Sven Schimpf. Ganz wichtig sei die Fähigkeit jedes Einzelnen wie auch des Systems, fortlaufend adaptiv zu bleiben. Und deshalb wird Lernen im Jahr 2030 so wichtig.
These 2: „2030 stehen integrierte Lösungen im Mittelpunkt des Innovationsgeschehens.“
Formen der Wertschöpfung werden im Jahr 2030 umfassend sein, sagen die Fraunhofer-Experten und verweisen auf eine eigene Erfolgsstory: den Weg von der Erfindung der mp3-Technologie durch das Fraunhofer Institut in Erlangen über den mp3-Player zum plattformbasierten Musikstreaming.
Auch die Hersteller von Produkten werden 2030 zu Anbietern von Lösungen, die, genauso wie Dienstleistungen, nicht einfach nur integriert, sondern auch auf die Alltagsabläufe der Kunden zugeschnitten und individualisiert abrufbar sein werden.
Nutzwert, Nutzwert, Nutzwert: Darum gehe es 2030 bei neuen Angeboten. Technologie und Nutzerfunktionen werden in frühen Innovationsphasen aufeinander abgestimmt und in Wertschöpfungsnetzwerke von Zulieferern und Kunden eingebunden. Die Unternehmen werden auf Partnernetzwerke angewiesen sein.
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Bilder: Florian Schmitt
These 3: „2030 sind Innovationsprozesse durchgängig digitalisiert.“
Glenn Gonzáles, der CTO von SAP Deutschland, sagt, er kenne keine einzige Firma, „die heute nicht darüber nachdenke, mit Digitalisierung zusätzliche Angebote für ihre Kunden zu schaffen“. In den Unternehmen zerbrechen sich die Mitarbeiter ihre Köpfe, um neue Plattformen, Customer- und Business-Services und neue Technologien wie Machine Learning oder Blockchain in die Geschäftsprozesse einzubringen.
2030 werden deswegen natürlich auch die Innovationsprozesse durchgängig digital sein. Lösungen lassen sich 2030 virtuell produzieren, in Betrieb nehmen und testen, bevor sie real fertiggestellt sind. Simulationen ersetzen aufwendige Validierungen und Tests auf Basis von Echtzeitdaten und Algorithmen.
Künstliche Intelligenz werde 2030 viel schlauer sein als heute, so die Forscher. Intelligente Maschinen werden aus umfassenderen Datenbeständen komplexe Zusammenhänge lernen, ohne eigens dafür programmiert werden zu müssen. Für die Weiterentwicklung von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Geschäftsmodellen seien in Zukunft nicht nur die besten Köpfe entscheidend, sondern auch die beste maschinelle Integration von Marktanforderungen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen.
Das Risiko bei radikalen Innovationen sinke, weil ihre Eigenschaften simuliert werden und dadurch besser eingeschätzt werden können. Existierende Lösungen, die schrittweise weiterentwickelt werden, würden 2030 vor allem von Algorithmen vorangetrieben. Für radikale Innovationen sei aber auch in Zukunft menschliche Kreativität wichtig. Auch diese profitiere dann jedoch von digitaler Unterstützung.
These 4: „2030 steht Wissen allen offen – es kommt darauf an, es nutzbringend anzuwenden.“
„Open Science“ ersetze 2030 die Elfenbeintürme der Wissenschaft. Sowohl die Entstehung wissenschaftlicher Ergebnisse als auch das Wissen selbst werden transparent gemacht. Publikationen, Forschungsdaten und Software sind 2030 frei zugänglich, so die Vision. So könne Wissen disziplinübergreifend genutzt werden. Das kostet weniger und beschleunigt den wissenschaftlichen Fortschritt. Entscheidend für den innovativen Erfolg werde in Zukunft die Fähigkeit sein, relevantes Wissen zielgerichtet finden zu können.
Fraunhofer-Geschäftsführer Sven Schimpf ist davon überzeugt, „dass sich Forschung und Entwicklung in Unternehmen in Richtung einer stärkeren Öffnung und steigenden Flexibilität verändern.“ Besonders wichtig werde die Beteiligung all derer, „die bisher nicht direkt an Forschung und Entwicklung in Unternehmen beteiligt sind“.
2030 wird die digitale Transformation zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft geführt haben, führen die Fraunhofer-Experten an. Die Generierung, Verteilung und Anwendung von Wissen werde geprägt von künstlicher Intelligenz und autonomen Systemen.
These 5: „2030 verfügt Europa mit Blick auf Datensicherheit und -souveränität über ein Alleinstellungsmerkmal im globalen Wettbewerb.“
Wirtschaftliche Transaktionen finden 2030 online und plattformbasiert statt, klassische Branchen- und Unternehmensgrenzen lösen sich auf. Soziale Medien sind zur vorherrschenden Plattform des gesellschaftlichen Diskurses geworden, die mobile Verfüg- und Verwertbarkeit von Daten ist dann selbstverständlich.
Datenbasierte Dienstleistungen spielen eine essenzielle Rolle in Wertschöpfungsprozessen, für die Daten ein wertvoller Rohstoff sind. Europa hat 2030 die Chancen dieser Transformation genutzt und sich zum weltweit führenden Standort in puncto Datensicherheit und -souveränität entwickelt, hoffen die Wissenschaftler.
Aus nationalen Standardisierungs-Initiativen entwickelt sich ein europäisches Steuerungs- und Regulierungssystem, das die Anforderungen berücksichtigt, die auch viele außereuropäische Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen an Datensouveränität, -schutz und -governance stellen.
Auch Politik und Gesellschaft müssen sich verändern
Ob es bis 2030 zu all dem wirklich gekommen sein wird? „Ein Hemmschuh für Innovation ist in Deutschland die oftmals zurückhaltende Risikobereitschaft“, stellt Fraunhofer-Geschäftsführer Schimpf fest. „Unsere Innovationskultur basiert stark auf Sicherheiten. Das merkt man etwa daran, wie aktuell und in den letzten Jahren das Thema der künstlichen Intelligenz diskutiert wird.“
Die Wissenschaftler stellen auch an Politik und Gesellschaft Forderungen: So sollte Europa ihrer Meinung nach eine führende Rolle bei der Regulierung und der Standardisierung einnehmen. Regulierung würde vielfach noch auf nationaler Ebene mit nationalem Fokus geregelt. Ein „Strategisches Innovationszentrum Deutschland“ sollte die Entwicklung der Schlüsseltechnologien fördern.
Die Forscher fordern bessere Rahmenbedingungen für Open Science, um Wissenschaft einer größeren Zahl von Menschen einfacher zugänglich zu machen. Denn die heutigen Regeln für die Sammlung und Verwendung von Daten seien die Wettbewerbsfaktoren von morgen.
Auch in der Bildung muss sich viel tun: Das für Innovation nötige Methodenwissen sollte in den Lehrplänen der Bildungseinrichtungen verankert werden, fordern die Experten. Ständige Weiterbildung auf allen Ebenen und in Unternehmen aller Größenordnungen sei unerlässlich. Mit neuen Beteiligungsformaten, die über bewährte Verfahren wie Bürgerdialoge hinausgehen, wollen die Fraunhofer-Forscher die Bürger aktiver, systematischer und repräsentativer als bisher einbinden.
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